FREIGEDACHT

Die Stephen-Hawking-Gesellschaft

14. März 2018

Was bedeutet es, in einer gewinnorientierten Gesellschaft zu scheitern? Kann man sich das überhaupt leisten? Wenn man scheitert, soll man darüber reden? Wie käme es bei einem Vorstellungsgespräch an, wenn man statt den Errungenschaften, die Vorhaben, in denen man gescheitert ist, in den Lebenslauf schreibt?

Die Kultur des Scheiterns wird sträflich vernachlässigt. Sämtliche vermeintlich sozialen Medien sind der Nährboden für das genaue Gegenteil. Es wird eine virtuelle Welt erschaffen, in der alles perfekt ist. Perfekte Fotos vom perfekten Urlaub mit der perfekten Familie. Diese Welt ist nicht perfekt, kein Urlaub ist perfekt, keine Familie ist es. Wieso, zum Teufel, heucheln wir uns alle Tag für Tag etwas vor? Ich selbst nehme mich da gar nicht aus.

Wir scheitern doch alle täglich. Wenn wir uns frühmorgens vornehmen, heute Abend zeitiger ins Bett zu gehen. Oder wenn wir uns vornehmen, nach der Arbeit eine Runde zu laufen. Wenn wir uns vornehmen, uns heute nicht über den dummen Nachbarn zu ärgern. Wenn wir uns vornehmen, heute wieder Zahnseide zu benutzen, es dann aber doch nicht machen. Wenn wir uns wieder einmal einen Tee kochen, den Teebeutel aber eine halbe Stunde im Wasser vergessen. Wir scheitern doch alle täglich, machen wir uns nichts vor. Und das ist auch gut so. In jedem Leben wird gescheitert. Durchgehend. Manchmal größer, manchmal kleiner. Manchmal mehr, manchmal weniger.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, interessante Personen regelrecht zu inhalieren. Wenn mich eine Person nicht mehr loslässt, dann möchte ich alles über sie wissen und bestmöglich auch noch persönlich treffen um sie zu interviewen. In Gesprächen Fragen zu stellen, die in den herkömmlichen Medien eher marginale behandelt werden, ist mir ein Genuss. Und genau bei dieser Leidenschaft scheitere ich regelmäßig. Mein Antrieb ist schier unendlich, ich investiere Zeit, Mühe und auch Geld. Und trotzdem scheitere ich immer wieder. Weil die Namen so groß sind, und ich so klein. Ohne nennenswertes Medium im Hintergrund ist es oft sehr schwer, an diverse Interviews zu kommen. Aber das macht nichts, darum geht es nicht. Es geht darum, nicht aufzugeben und seinen Träumen zu folgen. Es sind keineswegs nur berühmte Personen, die mich faszinieren. Aber eben auch. Und wenn mich diese nicht loslassen, dann kann ich mitunter schon viel daran setzen, sie zu treffen. “Shoot for the moon. Even if you miss, you’ll land among the stars.”

Am 14. März 2018 ist der renommierte Astrophysiker Stephen Hawking verstorben. Er war einer der Ersten, der von mir als Jugendlicher eine Interviewanfrage bekam und ist somit quasi der Begründer der Gesellschaft derer, die mir kein Interview gaben. Die University of Cambridge hat nach seinem Tod seine letzte Botschaft an die Menschheit veröffentlicht. Es handelt sich wahrscheinlich um die schönste und ehrlichste Botschaft, die ein so wichtiger Mensch für die gesamte Menschheit hinterlassen kann.

„Es war eine großartige Zeit, um am Leben zu sein. Unser Bild des Universums hat sich in den letzten 50 Jahren umfassend verändert und ich bin glücklich, wenn ich einen kleinen Beitrag leisten konnte. Schaut zu den Sternen und nicht hinab auf Eure Füße. ( … ) Seid neugierig, und wie schwer auch immer das Leben scheinen mag, so gibt es doch immer etwas, das ihr tun und worin ihr erfolgreich sein könnt. Es kommt darauf an, nicht aufzugeben.“ – Stephen Hawking 

„Seid neugierig (…) Es kommt darauf an, nicht aufzugeben.“ Genau darum geht es. Auch wenn mir zahlreiche Personen schon ein Interview verwehrten oder erst gar nicht reagierten, ich habe es versucht und ich werde nicht aufgeben. Die Reihe von Personen wie Stephen Hawking, Lotte Tobisch, Jimmy Carter, Clint Eastwood, Fidel Castro, dem Dalai Lama oder Peter Lustig steht für mein Scheitern. Es macht mich selbstbewusst, mein eigenes Scheitern aufgelistet zu sehen. Ich sehe dann nicht, was ich nicht geschafft, sondern was ich schon alles versucht habe. Wobei scheitern Sie?


 

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