NACHGEFRAGT

„Ich denke schon, dass es sich lohnt, den Mond genauer zu untersuchen“

18. Juni 2014

Dr. Seth Shostak, der US-amerikanische Astronom des SETI-Institut, im Interview über die wissenschaftliche Suche nach außerirdischem Leben.

Andreas Kirchner: Dr. Shostak, wo macht die Suche nach einem außerirdischen Artefakt den meisten Sinn?

Seth Shostak: Die Suche nach Artefakten kommt auf die Handlungen der Außerirdischen an und natürlich wissen wir nicht, was sie getan haben. Wir wissen nicht, was eine sehr fortgeschrittene Zivilisation getan haben könnte. Vielleicht haben sie in ihrem eigenen Sonnensystem gigantische Strukturen gebaut. Vielleicht haben sie interstellare Reisen durchgeführt. Vielleicht haben sie tatsächlich unser Sonnensystem besucht und ein Artefakt auf dem Mond oder auf den sogenannten Lagrange-Punkten hinterlassen. Das wären Orte, an denen ein Artefakt für eine ziemlich lange Zeit bestehen würde.

Sie haben den Mond erwähnt. Ist unser Mond es wert, genauer untersucht zu werden?

Ich denke schon, dass es sich lohnt, den Mond genauer zu untersuchen, ob er vor einhundert Millionen Jahren, oder sagen wir fünfzehn Millionen Jahren besucht wurde. Wenn die Außerirdischen unser Sonnensystem besuchten, haben sie das Leben auf der Erde bestimmt entdeckt. Wenn sie vor mehr als 500 Millionen Jahren da waren, haben sie mikroskopisches Leben beobachtet und vielleicht entschieden, dass dieser Planet Potenzial hat. Und haben etwas zurückgelassen, für den Fall, dass sich hier intelligentes Leben entwickelt. Dann könnten sie mit der Spezies in Kontakt treten und dem Galactic Club beitreten. Natürlich ist das Science Fiction, aber vielleicht ist es so passiert. Was ich damit sagen will, ist, dass sie nichts auf der Erde zurücklassen würden, weil es hier Witterung und tektonische Aktivitäten gibt. Diese Faktoren verringern die Lebensdauer von möglichen Artefakten. Im Gegensatz zum Mond, wo es das nicht gibt.

Wie könnte so ein Artefakt aussehen?

Keiner weiß, wie so etwas aussehen könnte. Es muss künstlich aussehen, und es muss die Wahrscheinlichkeit verringert werden, dass es von einem Asteroiden, der beispielsweise am Mond einschlägt, zerstört wird. Das passiert. Große Asteroiden schlagen nicht häufig ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas künstlich Gebautes in Milliarden Jahren von einem Einschlag zerstört werden würde, ist nicht sehr hoch. Aber es kann passieren. Vielleicht haben sie zwei oder mehrere Artefakte verteilt. Was auch immer es ist, es muss einfach zu erkennen sein, sonst macht es keinen Sinn.

Die Transit Methode ist die effektivste Methode bei der Suche nach Exoplaneten. Kann diese Methode auch bei der Suche nach außerirdischen Artefakten helfen?

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie. Die Transit Methode könnte dabei helfen, wenn eine hochentwickelte Zivilisation, um auf sich aufmerksam zu machen, ein großes Objekt gebaut hat, das deren Sonne umkreist. Und wenn dieses Objekt regelmäßig das Licht deren Sonne verdeckt, und wir von der Erde aus einen Stern sehen, der immer wieder verdunkelt, dann wäre unsere erste Interpretation, dass es sich hier um einen neuen Planeten handelt. So fanden wir bereits mit dem Weltraumteleskop Kepler Planeten. Wenn das Objekt aber nicht rund ist, sondern zum Beispiel ein Dreieck, ein Quadrat oder irgendeine andere Form hätte, würde man das mit einem guten Teleskop bemerken. Man würde die Details der Unterbrechung des Lichts sehen. Da wir keine dreieckigen Planeten erwarten, würden wir bemerken, dass es sich um ein künstliches Objekt handelt. Das wäre ein Artefakt, wo man in der Lage wäre, es zu finden. Hier bedarf es eines sehr qualitativ hochwertigen Signals um den Unterschied zwischen einem Dreieck und einer Kugel aus Gestein zu erkennen. Grundsätzlich ist es möglich.

Würde SETA mehr finanzielle Mittel erhalten, hätten wir schon ein Artefakt gefunden?

Das weiß man natürlich nicht. Wenn die Finanzierung größer wäre, würden unsere Forschungen schneller voran gehen. Aber zu sagen, dass wir dann etwas finden würden, ist genauso als würde man fragen, gäbe es auf Columbus‘ Schiff besseres Essen, würde er dann Amerika entdecken? Das hängt nicht direkt zusammen. Es stimmt schon, besseres Essen hätte ihre Chance, den Ozean zu überqueren, erhöht, das heißt es vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass etwas entdeckt wird. Genauso ist es mit SETI. Hätten wir mehr Geld, würden wir mehr Experimente machen. Und dies auch schneller und mit mehr Genauigkeit. Alles deutet darauf hin, gäbe es etwas zu finden, dann fänden wir das auch. Das ist aber nicht garantiert.

Wie sieht die Finanzierung für SETI aus?

Das NASA-SETI Programm wurde mit einer bis zehn Millionen Dollar pro Jahr finanziert. Immer unterschiedlich. Die höchste Finanzierung waren zehn Millionen Dollar pro Jahr, aber das war ein Jahr, in dem ins Equipment investiert wurde. Es müssen nicht unbedingt zehn Millionen Dollar pro Jahr sein, obwohl uns das eine Vielfalt an guten Experimenten ermöglichte.

Warum suchen wir nach außerirdischen Intelligenzen, oder im Speziellen nach außerirdischen Artefakten? Handelt es sich hier um ein psychologisches Phänomen?

Ich denke, das ist Neugier. In einem gewissen Sinn ist das natürlich auch psychologisch. Warum sind wir an Inseln im Pazifik mit deren eigenen Gesellschaften interessiert? Warum ist irgendwer daran interessiert, das zu wissen? Es ist einfach sehr interessant zu wissen. Das ist die Grundneugier der Menschheit. 99 Prozent der Bevölkerung ist es egal. Wenn aber ein Prozent der Bevölkerung daran interessiert ist, dann werden Forschungen gemacht. Und es war schon immer der Fall, dass jede Gesellschaft, die nicht forscht, zurückfällt. Weil sie im Stillstand verharrt. Forschung ist nicht nur etwas psychologisch Befriedigendes, sondern bringt auch praktische Vorteile. Frag die Briten.

In den letzten paar Jahren hat die Entdeckung von Exoplaneten enorm zugenommen. Wie lange wird es dauern, bis wir außerirdisches Leben entdecken?

Die beiden Ereignisse sind nicht zwingend miteinander verbunden. Auf der einen Seite zeigt die Entdeckung von Exoplaneten habitable Zonen, wo Leben existieren könnte. Das gibt einem die Hoffnung, dass Leben da draußen existiert. Aber denke an die Erde vor 4,5 Milliarden Jahren. Von dort werden keine Radiosignale kommen. Auch wenn unsere Erde für die Klingonen ein netter außerirdischer Planet ist und es sich hier auch um eine habitable Zone handelt. Zumindest aus unserer Sicht. Dann werden sie sagen, dass es ein großartiger Planet ist. Trotzdem werden sie keine Signale empfangen. Vor 200 Millionen Jahren haben die Dinosaurier keine Radiotransmitter gebaut. Die Entdeckung von Planeten in habitablen Zonen garantiert nicht die Entdeckung von Außerirdischen. Es zeigt nur die Wahrscheinlichkeiten. Man sieht, welche Art von Sternen von Planeten umkreist werden, auf denen es Leben geben könnte. Und wenn man hundertausende von solchen Planeten findet, dann ist die Wahrscheinlichkeit, etwas zu finden, natürlich größer.

Ich bitte um ein kurzes Statement. Zahlt sich die Suche nach außerirdischen Artefakten aus?

Wenn man eine gute Idee hat, warum sich an einem bestimmten Ort ein Artefakt befinden soll, und man hat einen Weg, danach zu suchen, dann zahlt sich die Suche aus.

Stellen Sie sich vor morgen würden ETs auf der Erde Landen. Was wäre der Effekt auf die Menschheit?

Wenn sie die Technologie besitzen, zu uns zu kommen, sind sie uns weit voraus. Wie als würden Neandertaler den modernen Homo Sapiens treffen. Keiner weiß, was da heraus kommt.

Wie sehen Sie die Zukunft der Erkundung des Weltalls? Wird sie in staatlicher Hand bleiben oder von privaten Gönnern wie Richard Branson oder Elon Musk finanziert werden?

Der private Sektor hat eine große Zukunft im kommerziellen Sinne. Im Privaten Bereich handelt es sich nicht um Weltraumforschung, sonder eher um ein Transportsystem. Es geht vor allem darum, Geld zu verdienen. Dies kann gemacht werden, wenn Raketen Objekte von einem Ort zum anderen transportiert werden. Da dies mit Weltraumforschung eher nicht möglich ist, wird diese in staatlichen Agenturen bleiben.

Es ist Tatsache, dass tausende von Menschen unidentifizierte fliegende Objekte gesehen haben. Was steckt Ihrer Meinung nach hinter dem UFO-Phänomen?

Menschen sehen Dinge am Himmel die sie nicht kennen. Dank den unzähligen Fernsehsendungen glaube sie, es handelt sich hierbei um Außerirdische. Ich bekomme laufend Anrufe von diesen Menschen. So auch heute Morgen. Es war ein Mann am Telefon, der den Beweis hatte, dass sie katholische Kirche von den Aliens weiß und diese Information geheim hält. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, warum die katholische Kirche das geheim halten sollte. Ich kenne viele Astronomen, die für den Vatikan arbeiten und keiner macht den Anschein, als würde er von der Existenz von Aliens wissen. Viele Menschen glauben einfach daran, weil es ihnen das Gefühl gibt, etwas Wichtiges zu wissen, was beispielsweise Gelehrte an Universitäten nicht wissen.

Denke Sie nicht, dass das UFO-Phänomen erforscht werden sollte?

Doch, auf jeden Fall soll es erforscht werden. Wenn etwas Unbekanntes am Himmel entdeckt wird, ist es wert, untersucht zu werden. Ich bin zwar eher skeptisch, ob wir dann ein außerirdisches Raumfahrzeug finden, aber das ist kein Grund, es nicht zu erforschen. Keiner hindert irgendwen an der Erforschung. So sollte es immer sein. Wenn ein Phänomen entdeckt wird, sollte mit der Erforschung begonnen werden. Die Wissenschaft macht das in diesem Fall nur nicht, weil die Beweislage dürftig ist.

Dr. Shostak, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben.

Es war mir ein Vergnügen, Andreas.


 

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