FREIGEDACHT

5 Gründe, warum ich Alexander Van der Bellen unterstütze

20. April 2016

Zweifelsfrei bin ich ein politischer Mensch. Für mein bisheriges kurzes Leben, beschäftige ich mich verhältnismäßig lange mit Politik, deren Auswirkungen und vor allem deren Protagonisten. Objektivität gehört für mich in diesem Zusammenhang zu den wichtigsten persönlichen Gütern. Trotz meines hohen politischen Interesses, läge mir nichts ferner, als einer politischen Partei beizutreten. Nicht nur, weil ich sonst ein Leben lang das Dogma der Parteilichkeit mit mir tragen würde, sonder weil es mir so geht, wie wahrscheinlich der Mehrheit der österreichischen Staatsbürger. Es gibt für mich keine Partei, in der ich uneingeschränkt und bedingungslos mit allem einverstanden wäre. Wahrscheinlich ist das in einer Demokratie so auch nicht nötig, jedoch ist die von mir sehr hoch geschätzte Möglichkeit des Freidenkens, mit den üblichen Begleiterscheinungen einer Parteizugehörigkeit, nicht vereinbar.

Die Rolle des Betrachters von außen ist mir eigentlich am liebsten. Die Freiheit, mich manchmal einzumischen, nehme ich mir als mündiger Bürger heraus. Diesmal ist es wieder so weit. Nicht unkritisch, aber in den meisten Punkten aus voller Überzeugung,  spreche ich meine Unterstützung für Alexander Van der Bellen in der Wahl zum nächsten Bundespräsidenten aus. Wie ich langsam über die letzten zwei Jahre immer weiter in den Dunstkreis Van der Bellens schlitterte und warum ich der tiefen Überzeugung bin, Österreich braucht den rauchenden Professor im höchstem Amt weitaus dringender, als in der Rolle des Elder Statesman, versuche ich in fünf Punkten zu erläutern.

1. ER IST EIN KRITISCHER, DIFFERENZIERTER DENKER
Im Mai des letzten Jahres habe ich mich über die im EU-Parlament diskutierte Regelung der Warnetiketten auf Alkoholflaschen im Standard-Userkommentar „Warum ich auf eine starke Alkohollobby hoffe“ aufgeregt. In 750 Kommentaren wurde ich dafür – mitunter heftig, aber auch zurecht – kritisiert. Unerwartete Schützenhilfe für meine Alkohollobby kam vom jetzigen Bundespräsidentschaftskandidaten Van der Bellen: „Früher oder später kommt sicher ein Gesundheitsapostel auf die Idee, auf jede Flasche Wein müsse das Bild einer verdorrten Leber gepickt werden. Im Frühjahr 2015 gingen Meldungen durch die Zeitungen, das EU-Parlament erwäge Warnhinweise dieser Art. Solche Attacken auf ein gutes Leben mündiger Bürgerinnen und Bürger gehören im Keim erstickt“, so Alexander ‪‎Van der Bellen in seinem Buch ‪Die Kunst der Freiheit. Dies nur als kurze Anekdote. In 161 Seiten hat er dargelegt, warum die grundlegende Freiheit für ihn zu den fundamentalsten Rechten des Individuums gehört. Dass er es als kritischer, selbstdenkender Mensch als Parteichef der Grünen nicht immer leicht hatte und sich seine persönliche Haltung und die offizielle Meinung der Partei immer wieder spießten, machen ihn für mich nicht nur zu einem freidenkenden Menschen, sondern sind auch gleich ein Indiz für den nächsten Grund, warum er für das Amt des Bundespräsidenten geeignet ist.

2. ICH NEHME IHM DIE UNPARTEILICHKEIT AB
Er besitzt genügend Intelligenz, um überparteilich zu agieren und zu entscheiden. Immer wieder wurde und wird von den anderen Kandidaten betont, sie lägen ihre Parteizugehörigkeit ruhend, wenn sie Bundespräsident werden. Hier sehe ich Parallelen zu Politik-Journalisten, die behaupten, sie wählen weiß, um nicht beeinflusst zu sein. Überparteilichkeit passiert im Kopf, das ist eine bewusste Grundhaltung, die durch das Ablegen des Parteibuches nicht beeinflusst wird. Diese Überparteilichkeit traue ich Alexander Van der Bellen zu. Ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten und Wünsche der Parteien für das Wohl unseres Landes zu entscheiden.

3. IRONY ON
Es gibt für einen Ironie schätzenden Menschen oft nichts Schlimmeres, als sich in einer Gesellschaft zu bewegen, die auf Ironie als Umgangsform mit verschiedensten Thematiken mit Ignoranz,  Unverständnis oder gar Ermahnungen reagiert. Subtilität und Ironie kann man nicht lernen, aber beides muss man wollen. Alexander Van der Bellen hat beide Fähigkeiten, sowohl die zur Ironie, als auch die zur Subtilität, verinnerlicht. Wohltuend in der aktuellen Politikerlandschaft.

4. ER WÜRDE SNOWDEN ASYL ANBIETEN
Dass die Alltagspolitik immer weiter in unser Leben eingreift und so schleichend das Individuum bevormundet und einengt, ist eine Sache, aber dann gibt es da noch die ganz große Freiheitseinschränkung, die Schnüffelei in unserer Privatsphäre. Obwohl es jeder bemerkt, weil es medial oft angeprangert oder zumindest darüber berichtet wird, scheint es nicht jeden zu ärgern. Ich denke schon von mir selbst sagen zu können, dass ich in Diskussionen mit Menschen anderer Meinung durchaus tolerant agiere. Beim Thema der Freiheit des Einzelnen und dessen Einschränkung kann es allerdings schon passieren, dass ich zum uneinsichtigen, stur auf meinem Standpunkt beharrenden Gesprächspartner werde. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter – mich ärgert das Gegenüber, welches nicht einsieht, dass die Freiheit des Individuums Stück für Stück der Lebensbegleitung von oben zum Opfer fällt. Bereits im Sommer 2014 stellte ich Alexander Van der Bellen – damals noch im Wiener Gemeinderat und nicht öffentlich als möglicher Bundespräsidentschaftskandidat im Gespräch – die Frage, ob er als Bundespräsident Edward Snowden politisches Asyl angeboten hätte. Die Antwort hat mich überrascht: „Wäre ich Bundespräsident und es wäre mir möglich, ich hätte Edward Snowden Asyl angeboten.“

Natürlich kann man diese Aussage auch kritisch betrachten. Er riskiert damit eine Verstimmung der USA. Welche wirtschaftlichen Folgen das haben könnte, kann sich jeder selbst ausmalen. Zumal ein US-Präsident Donald Trump nicht mehr allzu unrealistisch ist. Aber man kann es auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Er stellt wirtschaftliche Interesse hintan und setzt sich für die Rechte der Bürger ein, gewährt dem Aufdecker eines globalen Skandals, dessen Auswirkung bis zu jedem einzelnen Staatsbürger und jeder einzelnen Staatsbürgerin spürbar sind, politisches Asyl, bietet der Weltmacht USA die Stirn und setzt so ein vergleichsweise nie da gewesenes politisches Signal. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich ihm für mich persönlich die Chance gab, diese Aussage bei einem öffentlichen Auftritt zu relativieren oder seine Meinung gar zu ändern. Als Wiener Gemeinderatsmitglied kommt einem solch ein Statement leicht über die Lippen, als möglicher nächster Bundespräsident muss man da schon vorsichtiger sein.

Vor ein paar Wochen wollte ich es aber nochmals wissen, und habe die Frage, ob er Edarwd Snowden politisches Asyl anbieten würde, via Twitter an die JUNOS (Junge NEOS) geschickt. Er war mit Irmgard Griss zu einer Diskussion zur Bundespräsidentschaftswahl geladen und es wurde aufgerufen, Fragen an die Veranstalter zu schicken. Meine Frage wurde gestellt und Van der Bellen antwortete genauso wie zwei Jahre zuvor im Vieraugengespräch. Der Applaus war tosend. Zurecht, wie ich meine.

5. ER HAT SICH MIT MIR GETROFFEN – EINFACH SO
Eigentlich ging er mir in der Tagespolitik ab, seitdem er 2012 den Nationalrat verlassen hatte. Van der Bellen war zwar noch im Wiener Gemeinderat tätig, dies aber nur als „Hinterbänkler“, wie er sich selbst bezeichnete. Seine fehlende mediale Präsenz empfand ich als politisch unzufriedenstellend. Ohne großartig darüber nachzudenken, habe ich mich entschieden, ihm eine E-Mail zu schreiben, ob er sich mit mir in einem Kaffeehaus treffen mag. Einfach so. Um zu plaudern. Gute zwei Monate kam keine Antwort. Nach längerer Wartezeit habe ich mir schon gedacht, dass dieser Umstand zwar verständlich sei, eine kurze Antwort ich mir allerdings schon gewünscht hätte. Rein pro forma. Dann bekam ich plötzlich – von mir schon längst nicht mehr erwartet – eine E-Mail seiner Sprecherin. „Herr Dr. Van der Bellen hat mich gebeten, einen Kaffeehaustermin mit Ihnen zu koordinieren.“ Ich war erfreut, erstaunt, begeistert! Vor allem aber überrascht von seiner Bürgernähe, Offenheit und dem vorurteilsfreien Interesse am Individuum. Kurze Zeit später fand ich mich mit Alexander Van der Bellen im berühmten Wiener Kaffeehaus Landtmann wieder und schlürfte von meinem Weißen Spritzer, während er genüsslich an seiner Zigarette zog. Zur Feier des Tages – und als Gelegenheitsraucher – habe ich mir auch einen Tschick gegönnt. Gäbe es eine bessere Gelegenheit?

vdb und ich
Auch zu einer möglichen Bundespräsidentschaftskandidatur habe ich ihn angesprochen. Damals lebte Barbara Prammer noch und er meinte, es sei abzuwarten, ob es Barbara Prammer möglich sein wird, in zwei Jahren anzutreten. Weiters fügte er an: „Ich trete nur an, wenn ich auch eine Chance habe.“ Die Frage, ob einer möglichen Kandidatur Van der Bellens und was sie davon hält, richtete ich auch an die Mitbegründerin der Grünen und ehemalige Bundespräsidentschaftskandidaten Freda Meissner-Blau in einem Interview im Jänner 2015. „Ja, ich gebe ihm gute Chancen. […] Er ist beliebt, er ist sehr verbindlich und liebenswürdig und spricht einen professoralen Jargon, so dass ihn jeder versteht, und nicht in Politiker-Luftblasen. Das macht ihn für viele Menschen sympathisch. […] Van der Bellen ist ein respektabler Kandidat.“, so Meissner-Blau.

Ein paar Tage nach dem Treffen habe ich mich entschlossen, die Facebook-Seite „Van der Bellen for president“ zu erstellen, um ihn so zu einer Kandidatur zu bewegen oder zumindest eine kleine Entscheidungshilfe zu bieten. Er sollte schließlich sehen, dass es eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Menschen gibt, die seine Kandidatur begrüßen würden. Bis jetzt hat die Aktion über 3.500 Unterstützer und Unterstützerinnen. Ob die Seite letztendlich zu seiner Entscheidung beigetragen hat, weiß ich nicht. Das ist auch nicht so wichtig – viel wichtiger ist die breite, überparteiliche Unterstützung aus allen Kreisen der Bevölkerung für den Kandidaten Van der Bellen.

Von einer Tageszeitung wurde mir im Zusammenhang mit der Facebook-Seite unterstellt, ein „grüner Mitarbeiter“ zu sein. Mir ging es bei Van der Bellen als möglichen nächsten Bundespräsidenten nie um Parteipolitik, sondern vielmehr um die tiefe Überzeugung, dass er gerade jetzt – in schwierigen Zeiten – als intellektueller, diplomatischer und mutiger Mensch als nächstes Staatsoberhaupt alternativlos ist. Es wäre eine der großen vertanen Chancen der Zweiten Republik, würde Van der Bellen nicht Österreichs nächster Bundespräsident werden.


 

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