FREIGEDACHT

Ein Kompromiss im Sinne der Menschheit

19. Januar 2020

Zwei Weltraum-Veteranen. Der eine Science, der andere Fiction. Der eine sieht die Zukunft der Menschheit im All, der andere am Planeten Erde. Der eine sähe alle Ressourcen der Menschheit am liebsten nur in der Erkundung des Weltalls, der andere nur in der Rettung unseres Planeten.

Vor ein paar Tagen schlug Buzz Aldrin auf Twitter vor, nicht unsere gesamten Ressourcen darauf zu verwenden, den Planeten zu säubern. Stattdessen sollen wir unsere Augen in den Himmel richten, um uns in unserem evolutionären Weg weiterzubewegen. Zwei Tage darauf hat Patrick Stewart in einem Interview dafür plädiert, kein Geld mehr in Raumfahrtprogramme zu stecken und es stattdessen dafür zu verwenden, die Erde „besser und stärker“ zu machen. Unterschiedlicher könnten die Meinungen nicht sein.

Beide Meinungsvertreter haben unbestritten einen Bezug zum Weltall. Buzz Aldrin betrat 1969 im Rahmen der Apollo 11 Mission als NASA-Astronaut nach Neil Armstrong als zweiter Mensch den Mond. Seitdem gilt er als personifiziertes Weltkulturerbe und wirbt in dieser Position  dafür, den Blick noch weiter ins All zu richten. Der Schauspieler Patrick Stewart erlangte als Jean-Luc Picard im Star-Trek-Universum als Captain der USS Enterprise Bekanntheit und Kultstatus. Obwohl beide, sowohl Buzz Aldrin, als auch Patrick Stewart, mit dem Weltall identifiziert werden, sind ihre Meinungen soweit auseinander, wie die Entfernung von unserer Sonne zu Proxima Centauri, dem uns nächstgelegenen Stern. Die Entfernung mag extrem groß sein, unüberwindbar ist sie in beiden Fällen aber nicht.

Natürlich ist es eine Notwendigkeit, unseren Planeten sauber zu halten. Natürlich müssen wir gegen die Ursachen der Klimakrise kämpfen. Natürlich müssen wir das Artensterben stoppen. Es ist unsere Aufgabe und Pflicht als höchstentwickelte Spezies dieses Planeten, genau diesen auch intakt zu halten. Zumal wir in den meisten Bereichen Hauptverursacher des aktuellen Zustands sind. 

Aber genauso ist es auch immens wichtig, weiter Weltraumforschung zu betreiben. Seit es den Homo sapiens gibt, richtet er seinen Blick in den Himmel und stellt sich die großen Fragen. Es ist die Faszination, die vom Gestirn ausgeht und zugleich ihren Ursprung tief in uns selbst hat. Die Menschheit kann gar nicht anders, als weiter ins All vorzudringen. Es ist der natürlich Drang. Es ist der natürliche evolutionäre Weg.

Es war die Neugier, die Christopher Columbus in sein Schiff steigen ließ. Es war die Neugier, die die Maya ihr Sternobservatorium bauen ließ. Es war die Neugier, die Amelia Earhart ins Flugzeug steigen ließ. Es war die Neugier, die Mary Kingsley ihre Reise nach Afrika antreten ließ. Es war die Neugier, die Marie Curie die radioaktive Strahlung erforschen ließ. Die Neugier ist immer größer als die Angst vor dem Unbekannten. Sie ist neben der Liebe, die wahrscheinlich größte Antriebskraft des menschlichen Geistes. Gemischt mit dem grundlegenden Drang zur Expansion, hat sie die Menschheit zur dominierenden Spezies dieses Planeten gemacht. Somit folgt unser Verhalten nur einer gewissen Stringenz, wenn uns die Neugier noch weiter ins All treibt.

Ja, in der Raumfahrt sind es auch die wirtschaftlichen und kriegerischen Interessen, die dahinter stecken. Dieser Fakt ist zwar nicht sehr romantisch, aber das haben Fakten meistens so an sich.  Nichtsdestotrotz, die weitere Finanzierung der Erforschung des Alls ist unabdingbar. Wir haben den ersten Schritt in die unendlichen Weiten bereits getan. Es wäre ausgesprochen einfältig, den Fuß wieder aus dem kalten Wasser zu ziehen. Zudem wird es früher oder später aus unterschiedlichen Gründen zur Notwendigkeit werden, den Planeten Erde zu verlassen. Sei es aufgrund eines Asteroideneinschlages, der das Leben unmöglich macht. Der Explosion der Sonne. Oder, ziemlich gegenwartsnah, unser eigenes Unvermögen in der Instandhaltung unseres Planeten.

Aldrin hat recht, wenn er sagt, dass es unser evolutionärer Weg ist, unseren Blick ins All zu richten. Stewart hat recht, wenn er sagt, dass es unsere Aufgabe ist, auf die Erde aufzupassen. Sie liegen aber beide falsch, wenn sie die jeweils andere Notwendigkeit ausschließen. Es ist nicht sinnvoll, sich nur für einen Schuh dieses Paares zu entscheiden. Möchte die Menschheit langfristig vorankommen, bedarf es beider Schuhe desselben Paares. Sowohl die Rettung unseres Planeten, als auch die Erkundung und in weiterer Konsequenz die Besiedelung des Alls.

Es ist der Kompromiss, der als einzige Antwort, einer Überprüfung der Frage des langfristigen Wohles der Menschheit, standhält. Halten wir unseren Planeten intakt. Machen wir dort sauber, wo sauber zu machen ist. Investieren wir dort, wo es notwendig ist. Zeitgleich aber vergessen wir nicht unseren Blick ins All zu richten. Forschen wir an den extraterrestrischen Orten, an denen es etwas zu erforschen gibt. Investieren wir dort, wo es notwendig ist. Halten wir auch den Raum außerhalb unseres Planeten sauber.

Wir müssen beides im Blick haben. Unseren Heimatplaneten und die Weiten des Weltalls. Dies ist nichts weiter, als ein Kompromiss im Sinne der Menschheit.


Foto: NASA

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