Natürlich leben wir in einem Land mit Meinungs- und Redefreiheit. Man darf glauben, was man will und man darf auch nicht glauben. Es liegt einem frei, hetero- oder homosexuelle Beziehungen einzugehen – auch wenn die Heirat von gleichgeschlechtlichen Paaren rechtlich noch umzusetzen ist. Man darf reisen so viel und wohin man will. Man darf sich seinen Job bis zu einem gewissen Grad frei wählen. Wir dürfen unsere Regierung wählen. Et cetera. Im Großen und Ganzen leben wir in einem Land, in dem wir uns eigentlich nicht zu beschweren hätten, wäre da nicht diese akute Bedrohung der Freiheit des Einzelnen. Bedroht durch die schleichenden, aber konstanten Einschränkungen durch den Staat. Warum begehren dagegen so wenige auf? Warum scheint es hier eine schweigende Mehrheit zu geben?
Nein, Warnetiketten auf Alkoholflaschen und eine aufmerksam machende Stimme, die mich darauf hinweist, dass ich zurückbleiben soll, wenn die U-Bahn einfährt sind nicht der Weltuntergang. Aber ich sehe meinen gesunden Verstand untergraben. Maßlos. Leider finden diese Untergrabungen des gesunden Verstandes so langsam und in kleinen Schritten statt, dass sie anscheinend von den meisten Menschen nicht als Bedrohung der Freiheit des Einzelnen wahrgenommen werden. Zudem geht es nicht um den Einzelfall, sondern um die Summe der kleinen Freiheitseinschränkungen.
Dann gibt es da noch die ganz große Freiheitseinschränkung, die Schnüffelei in unserer Privatsphäre. Obwohl es jeder bemerkt, weil es medial oft angeprangert oder zumindest darüber berichtet wird, scheint es nicht jeden zu ärgern. Ich denke schon von mir selbst sagen zu können, dass ich in Diskussionen mit Menschen anderer Meinung durchaus tolerant agiere. Beim Thema der Freiheit des Einzelnen und dessen Einschränkung kann es allerdings schon passieren, dass ich zum uneinsichtigen, stur auf meinem Standpunkt beharrenden Gesprächspartner werde. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter – mich ärgert das Gegenüber, welches nicht einsieht, dass die Freiheit des Individuums Stück für Stück der Lebensbegleitung von oben zum Opfer fällt. Unser Bundeskanzler Werner Faymann trieb das Ganze auf die Spitze. Nicht, weil er als Mensch Werner Faymann seine Meinung vertritt, sonder weil er dies als Bundeskanzler macht. Bundes. Kanzler. Auf NSA-Abhörgerüchte angesprochen antwortete er: „Aber ich selbst habe mir vorgenommen, so zu leben, dass ich auch vor niemanden Angst zu haben brauch‘, der mich abhört.“ Wow. Unser Kanzler ist ein Held. Nein, im Ernst – auf wie vielen Ebenen kann man eigentlich versagen? Über diese Aussage des ehemaligen Stadtrats von Wien – in Anbetracht dieser verbalen Peinlichkeit hätte er dort bleiben sollen – könnte mein Empörungslevel ins Unendliche steigen. Sollte ein Kanzler nicht für sein Volk eintreten? Den Schmäh über Volksvertreter und -verkäufer, der mir bei dieser Angelegenheit leider in den Sinn kommt, erspare ich euch. Warum verteidigt er nicht die Bevölkerung vor diesem maßlosen Eingriff in die Privatsphäre, sondern bagatellisiert mit seiner Aussage die Schnüffelei in unserem ganz persönlichen Kommunikationskreis?
Politisch ist nicht viel los
Bis jetzt wurde der Kampf um die Freiheit des Einzelnen der FPÖ überlassen. Ins Schlachtfeld der von FPÖ-Einfältigkeit gekennzeichneten Kritik werfen sich nun auch die NEOS. Sie nehmen sich dem Thema „Freiheit“ an und machen Stimmung. Alle anderen Parteien erwecken den Eindruck mit ihrer jeweilig kommunizierten, vermeintlichen Legitimation eher vom Beschnitt der Freiheit und der Selbstbestimmung überzeugt zu sein. Warum scheinen manch andere Parteien, anstatt den Freiheitsbeschränkungszug aufzuhalten, noch auf ihn aufzuspringen und „Volldampf“ zu schreien? Weil es die Philosophie ist, die mancher Politik zugrunde liegt? Eine Philosophie, die darauf beruht, sich um jeden Einzelnen zu kümmern, ihn gar zu behüten, ob derjenige das will oder nicht? Den Grünen muss das Aufbegehren gegen den NSA-Skandal zugutegehalten werden, aber trotzdem bekomme ich bei dieser Partei den medial transportierten Eindruck, sie wären zugunsten der Sicherheit, für Eingeständnisse auf der Verbotsseite bereit. Im Rahmen eines Gesprächs antwortet die Gründerin der österreichischen Grünen, die 88-jährige Freda Meissner-Blau, auf meine Frage, ob sie grundsätzlich glaube, dass Gebote, Verbote und Regeln eine Gesellschaft besser machen, folgendermaßen: „Nein, nicht generell. Ich bin eine, die die Selbstverantwortung des Menschen förderlich sieht. Verbote, die sinnführend sind, die Menschen helfen, ich glaube, diese würde ich immer unterstützen. Das heißt ja nicht, dass ich eine Verbotsgesellschaft haben will. Verbote machen nur ganz spezifisch Sinn. Ein Rauchverbot in öffentlichen Räumen, seitdem nachgewiesen ist, dass das Mitrauchen von Nichtrauchern auch sehr schädlich ist, finde ich auch in Ordnung. […] Und zwar, weil es eine Belästigung für Dritte ist. Da sind Verbote gerecht. Wenn das nicht der Fall wäre, dann wäre ich dagegen. Nützliche Verbote, dagegen kann man nicht sein, wenn man wirklich die Vorteile und Nachteile gegeneinander aufwiegt.“ Man sieht, eine differenzierte Betrachtung ist möglich.
Und trotzdem darf die Freiheit des Einzelnen nicht zur politischen Notwendigkeit werden. Denn dann haben wir genau die Situation, die eigentlich nicht förderlich ist und wir begeben uns in die Abhängigkeit, über die ich mich alteriere. Dann agiert der Staat als Aufpasser der Freiheit des Einzelnen. Sollte wenn diese Aufgabe in falsche Hände geraten, möchte ich mir nicht ausdenken, wie es um die grundsätzliche, so geschätzte Freiheit in unserem Land stünde. Ich schlage daher vor, die Lobby der selbstdenkenden Menschen zu gründen. Weil wir sie brauchen. Um nicht abhängig zu sein. Auch wenn es viele nach dem 1984-Prinzip noch nicht bemerken.
Wo sind die Grenzen?
Dass der Schein über die vermeintlich leichte Beantwortung dieser Frage trügt, darüber bin ich mir bewusst. Es handelt sich natürlich um ein schwer zu diskutierendes Anliegen, weil wir uns in einer Grauzone bewegen. Wo ist es noch Aufklärung und wo beginnt bereits die Bevormundung? Ich habe darauf auch noch keine klare Antwort, vermutlich liegt sie auch im jeweiligen Auge des Betrachters. Grundsätzlich ist für mich aber sicher, dass es sich um eine Grenze handelt, wenn dadurch Dritte zu Schaden kommen. Jeder erwachsene, zurechnungsfähige Mensch muss das Recht haben, seinen Körper zu zerstören. Es kann nicht mit dem Argument des Systems des Sozialstaates die Freiheit des Einzelnen eingeschränkt werden. Würde man umgekehrt argumentieren, dass es Menschen gibt, die diese Anweisungen benötigen um ein sicheres Leben zu führen, mag das zwar auf den ersten Blick richtig erscheinen, trotzdem bin ich davon überzeugt, dass man die Menschheit als Ganzes nur mit der Unterlassung der aus meinem Blickwinkel unnötigen Vorkehrungen auf den Weg einer selbstdenkenden Menschheit bringt. Im Umkehrschluss trägt die Bevormundung egal welchen Grades früher oder später zur Unmündigkeit des Bürgers bei. Geht es um Minderjährige oder tatsächlich unmündige Bürger, sind selbstverständlich Maßnahmen durchzuführen.
Abschließend erlaube ich mir Benjamin Franklin, einen der Gründerväter der USA zu zitieren und auf einen grundsätzlichen Gedanken in dieser Frage hinzuweisen, über den es sich lohnt, nachzudenken: „Wer wesentliche Freiheit aufgeben kann um eine geringfügige bloß jeweilige Sicherheit zu bewirken, verdient weder Freiheit, noch Sicherheit.“