FREIGEDACHT

Gebt Peter Rapp eine eigene Late-Night-Show!

28. März 2018

Ende 2018 steht die Brieflos-Show mit Peter Rapp nach 30 Jahren im ORF-Fernsehen vor dem „rien ne va plus“. Dieser aus der „Presse“ stammende Satz war wie ein Stich in mein junges, gewisse Traditionen schätzendes Herz. Wie wenig wertschätzend sämtlichen Faktoren, wozu ich mich als sporadischer Zuseher zähle, gegenüber kann man eigentlich sein? Als ich meiner 79-jährigen Oma vom Aus der Brieflosshow erzählte, meinte sie: „Die sollen stattdessen lieber die Kahrlich-Show abdrehen.“ Wie recht sie wieder einmal hat.

Peter Rapp in der Brieflosshow ist neben meiner Familie die einzig wirkliche Konstante meines Lebens. Ich habe Freunde verloren, neue Freunde gewonnen, bin umgezogen, habe Menschen und Haustiere begraben müssen, mehrmals die Schule gewechselt und hatte Beziehungen mit unterschiedlichen Frauen. Aber auf die Brieflosshow am Sonntag kurz vor sechs war immer Verlass. Peter Rapp bedeutet für mich Beständigkeit.

Seit Mai 1990 ist es ORF-Empfängern möglich, jeden Sonntag früh abends einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Mit September 2014 wurde die Sendung einer Rundumerneuerung unterzogen. Das Studio wurde erneuert, die Spiele wurden geändert, einzig das Brieflos und der Moderator blieben gleich. Die interaktive Spieleshow ist trotz der Erneuerungen retro, ohne künstlich alt zu wirken. Politisch nicht korrekt, sehr locker und vor allem mit einem zutiefst authentischen Moderator. Die Brieflosshow war mehr als bloß eine Glücksspielsendung. Sie war eine über die GIS finanzierte, für alle zugängliche, konstante Milieustudie, die obendrein köstliche Unterhaltung lieferte.

Seit Jahrzehnten lässt man Peter Rapp in dieser Nachmittagssendung für Leute über 60 versumpern. Als Gast und Dauergaglieferant für „Willkommen Österreich“ hat er sich allerdings eine Fangemeinde unter den jungen Leute aufgebaut. In seiner Unvollkommenheit ist Peter Rapp vor allem auch beim Publikum unter 30  beliebt. Seine Direktheit, sein Unverständnis für politische Korrektheit und seine Authentizität kommen einfach an. Obwohl man sich immer wieder denkt, „Herst, Peter, des kaunst ned mochn!“, hat es eine sehr erfrischende Ehrlichkeit, ihm sonntäglich zuzuschauen und auf den nächsten Fauxpas zu warten. Er ist einfach, wie er ist. So auch zum Beispiel in der Sendung vom 19. Juni 2016, als er das Brieflos eines Schweizers aus der Trommel zog: „Ah, a Schweizer! Des g’freit uns. Kommen S’ halt über die Grenze, stellen S’ aber kan Asylantrag.“

Die Brieflosshow war und ist für mich eine Flucht aus unserer glattgebügelten Welt. Aus einer Welt, in der Thomas Brezina tausende Menschen anlockt, wenn er ein Buch präsentiert. Aus einer Welt, in der der Bundeskanzler zwar redet, aber nichts sagt. Aus einer Welt, in der es offenbar wichtiger ist, mit Kindern pädagogisch wertvoll umzugehen als einfach menschlich zu sein. Diese Welt kotzt mich ehrlich gesagt an. Das sind nicht wir. Das ist nicht echt. Peter Rapp ist es, mit all seinen Fehlern und wahrscheinlich zu kritisierenden Charaktereigenschaften. Er ist kein Schauspieler, er ist unberechenbar und nicht immer nur charmant.

Wenn das Aus dieser Sendung unausweichlich ist, dann bitte ich hiermit den ORF inständig, dies als Chance zu sehen. Als Chance, einen Fernsehdinosaurier zu rehabilitieren. Holt Peter Rapp aus der Versenkung und gebt ihm eine eigene Late-Night-Show! Eine Sendung, nach dem Vorbild der großen Late-Night-Shows. Peter Rapp empfängt zwei Gäste, plaudert unverfänglich mit ihnen, spricht über Aktuelles und musiziert zwischen durch immer wieder gemeinsam mit der Band. Letzteres nicht am selben Niveau wie bei der Brieflosshow, das wäre tatsächlich entbehrlich. Das Ganze ohne übertrieben fantasievollen Titel, sein Name muss aber im Sendungsnamen enthalten sein. Darauf würde sie aufbauen, davon würde sie leben. Nomen est omen. Diese Sendung brächte eine Wahnsinnsquote. Große Unterhaltung mit Wiener Schmäh und Rappscher Ehrlichkeit. Wer hier das Argument entgegenbringt, der ORF habe bereits „Willkommen Österreich“, der versteht nicht, was ich meine. Hier geht es verdammt noch einmal um Peter Rapp!

Meine Plädoyer ist keinesfalls politisch motiviert. Ich möchte nicht das Glücksrad der Zeit zurückdrehen, wie der Vizekanzler in der Raucherdebatte. Aber bitte zerstört doch nicht alles, was irgendwie vermeintlich nicht mehr zeitgemäß ist. Wahrscheinlich ist es auch nicht mehr zeitgemäß, aber es ist ein Stück österreichische Fernsehgeschichte und daher auch Kult. Die Natur wird dem Ganzen sowieso früher oder später ein Ende setzen, wir sollten ihr nicht vorgreifen.

Das Aus der Brieflosshow ist die beschissenste Idee seit der Erfindung der Atombombe. Aber wenn schon, sehen wir es als Chance. Für Peter Rapp, aber auch für uns. Eine Chance auf eine Sendung mit Echtheitsgrantie. Er hat es sich verdient, und wir uns auch.


Das ist Titelfoto ist um 1995 entstanden und zeigt den Autor mit seiner Mama vor dem Glücksrad.

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