In der Webausgabe der „Salzburger Nachrichten“ ist mir der Artikel „Die EU will mit Etiketten vor den Gefahren von Alkohol warnen“ aufgefallen. Mit einer EU-weiten Etikettierung sollen Konsumenten, ähnlich wie auf Zigarettenpackungen, vor den Gefahren von Alkohol gewarnt werden. Beim Lesen hat es mir sauer aufgestoßen. Und das nicht wegen des Gläschens Wein, welches ich mir in der Abendsonne eines schönen Frühlingstages gegönnt habe. Ich frage mich ernsthaft, und bezweifle es zugleich, ob dieses Vorhaben der richtige Weg ist.
Natürlich will die Europäische Union, das Europaparlament, nur das Beste für ihre Bürger. Nur ist bekanntlich „das Beste“ einer subjektiven Wahrnehmung ausgesetzt. Was für den einen „das Beste“ ist, kann dem anderen gegen den Strich gehen – und es schwingt immer dieses unangenehme Gefühl der Bevormundung mit. Jetzt gelingt es schon im Mikrokosmos der Zweipersonenbeziehung nicht, wenn eine Person der anderen nur „das Beste“ aufdrängen will, wie soll dann das Europaparlament, in dem die 28 Mitgliedsstaaten der EU vertreten sind und in dem für die rund 507 Millionen EU-Bürger entschieden wird, wissen, was für diese enorme Vielfalt an Menschen „das Beste“ ist?
Ja, der Behandlung von alkoholkranken Menschen müssen mehr finanzielle Mittel zugesprochen werden. Ja, es muss im Gewissen der Menschen Halt finden, dass Alkohol in der Schwangerschaft dem Ungeborenen schadet und dieser daher zu dieser Zeit zu vermeiden ist. Nur bitte nicht über einen Kamm scheren und sicherheitshalber die gesamte EU-Bevölkerung in den Generalverdacht der grenzenlosen Dummheit stellen. Denn so fühle ich mich, wenn ich derartig bevormundet werde.
Wie anders soll man die ständigen Bemühungen interpretieren, auf jede nur mögliche Gefahr hinzuweisen? Wenn die Europäische Union schleichend, aber konstant zu einer überbehütenden, omnipräsenten Übermacht wird, die wie eine fürsorgliche Hand von oben den Menschen durchs Leben hilft und das Selbstdenken des einzelnen Individuums einschränkt, dann entwickeln wir uns hin zu einer allumfassenden Nanny-Union, in der exzessiv der Wunsch verfolgt wird, seine Bürger zu behüten. Die Katze beißt sich hier wieder einmal selbst in den Schwanz, denn durch immer mehr Fürsorge werden Menschen immer unselbstständiger und in weiterer Folge unmündig. Bis wir dann soweit sind und des Schutzes tatsächlich bedürfen – und sich diese Maßnahmen in letzter Konsequenz selbst rechtfertigen.
Die selbstdenkenden Menschen haben leider keine Lobby. Darum hoffe ich auf eine starke Alkohollobby, die eine weitere Bevormundung des aufgeklärten Bürgers, der wegen solcher Maßnahmen vom Aussterben bedroht ist, verhindern wird. Wenn auch aus anderen Gründen.
(erschienen auf derstandard.at am 5.5.2015)