Vor gut zwei Jahren waren meine Reisepläne für das Jahr 2015 weitgehend fix. Beginnen sollten die aufregenden Monate auf der Karibikinsel Kuba. Dies nicht nur wegen der Landschaft und des unglaublichen Charmes, den dieser Staat versprüht, sondern vor allem auch wegen der Politik. Diese war auf Caiman Verde, wie Kuba auch genannt wird, Jahrzehnte lang in einer Person konzentriert. Der frühere Revolutionsführer und langjährige Staatschef Fidel Castro Ruz führte mit eiserne Hand die politischen Geschäfte des Landes und alles, was für ihn dazugehörte.
2008 setzte sich der ewige Revolutionär krankheitsbedingt zur Ruhe und übergab alle offiziellen Ämter seinem Bruder Raul. Mein Gedanke war, wenn ich schon ein Monat auf Kuba weile, würde ich das lebende kubanische Geschichtslexikon auch gerne persönlich kennenlernen. Bestmöglich obendrein natürlich noch ein Interview erhalten.
UNREALISTISCH? NATÜRLICH! UNREALISIERBAR? NIEMALS!
Mein Vorhaben löste in meinem Umfeld unterschiedliche Reaktionen aus, die für mich, als leidenschaftlichen Beobachter der Menschheit, äußerst interessant waren. Von ehrlicher Verwunderung, über „viel Glück, warum nicht“ bis hin zu „wie kann man das nur wollen?“. Gerade die letzte Reaktion begründet auf meiner Aussage, dass Fidel Castro für mich eine der faszinierendsten politischen Persönlichkeiten der Menschheit ist. Anscheinend ist nicht jedem der Unterschied zwischen Faszination und Bewunderung klar. Ein Charakter kann durchaus schillernd sein und Faszination auf jemanden ausüben und trotzdem kann es möglich sein, ihn kritisch zu betrachten.
Die Kontaktaufnahme habe ich über mehrere Wege probiert. Auf der kubanischen Botschaft in Wien, auf der österreichischen Botschaft in Kuba, bei „Granma“, der offiziellen Zeitung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas, und direkt bei einem Ministerium der kubanischen Regierung. Das Ergebnis kurz zusammengefasst: die Antworten blieben großteils aus und ein Treffen mit dem Fidel Castro fand nicht statt. Nach Kuba reiste ich natürlich trotzdem.
Den Brief ließ ich mir damals von einem Kollegen einer befreundeten Lehrerin vom Deutschen ins Spanische übersetzen. Unbekannterweise richtete ich meinen Dank aus. Knapp zwei Jahre später – ein paar Tage vor Castros 90er – saß ich als Statist bei einem Dreh in Wien genau dieser Person zufälligerweise gegenüber. Erst im Gespräch klärte sich unsere Verbindung auf. „Du hast mir vor zwei Jahren einen Brief übersetzt.“ Jetzt konnte ich mich auch persönlich bedanken.
„FIDEL CASTRO EL MUERTO“
In Havanna und anderen beeindruckenden, aber auch bedrückenden Städten Kubas nutzte ich die Gelegenheit, mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen, um mehr über den aktuellen Zustand des mittlerweile zurückgezogenen Bruders des aktuellen Staatschefs Raul herauszufinden. Immer wieder fiel folgender Satz: „Fidel Castro el muerto“. Fidel Castro sei anscheinend bereits tot.
Nicht jeder wollte mit mir verständlicherweise auf offener Straße über Castro reden, und so fanden manche Unterhaltungen an abgeschiedenen Orten statt. Manche erzählten mir dann tatsächlich ihre Geschichte zu Fidel Castro, andere lockten mich weg von der Straße um mir illegale Zigarren zu verkaufen. In unregelmäßigen und immer seltener werdenden Abständen werden offizielle Fotos von Fidel Castro veröffentlicht oder er taucht bei einer Veranstaltung plötzlich selbst auf. So zuletzt im April 2016, als der staatliche Fernsehsender Castro zeigte, wie er mit Kindern über die Revolutionsführerin Vilma Espin spricht.
OFFIZIELL 90
Der Mann, der über Jahrzehnte nur in seinem grünen Militäranzug auftrat und diesen bei der Amtsübergabe an seinen Bruder gegen einen Jogginganzug tauschte und somit seit über acht Jahren in der Rekonvaleszenz lebt, feiert am 13. August 2016 seinen 90. Geburtstag. Wobei, streng genommen stimmt das nicht. Eigentlich wurde der in der Provinz Oriente geborene Kubaner erst am 13. August 1927 als uneheliches Kind geboren. Sein Vater, ein spanischer Immigrant aus dem galizischen Dorf San Pedro de Láncara, ließ 1941 nach der Scheidung von seiner kubanischen Frau gegen ein Bestechungsgeld eine neue Geburtsurkunde für seinen Sohn ausstellen und machte ihn somit um ein Jahr älter. Auch der Name wurde von „Fidel Hipólito Ruz González“ auf „Fidel Ángel Castro Ruz“ geändert. Der Grund dieser Vordatierung war der Besuch Fidels des Jesuitenkollegs in Havanna, wofür er eigentlich ein Jahr zu jung gewesen wäre. Somit wird in Kuba rein biologisch erst der 89. Geburtstags des „eisernen Greisen“, wie er in der Süddeutschen genannt wurde, gefeiert.
Anyway. In Kuba wird es am 13. August wohl ein riesiges Fest geben. Für viele mit voller Begeisterung, für viele
aber auch aus reiner Zwangsbeglückung. Happy Birthday!