NACHGEFRAGT

Der Astronom und die verweigerte Unterschrift

29. März 2020

Wenn man sich den Lebenslauf des 1939 geborenen Astronomen Prof. Dr. Dieter B. Herrmann durchliest, merkt man schnell, dass der größte Teil seines Lebens vom Blick in den Weltraum geprägt ist. Sein Interesse für Astronomie hat der Mann mit dem weißen Haar und der rauen Stimme schon als Kind entwickelt.

„Das fing sehr früh an. Ich kennen kaum einen Astronomen, der sich nicht schon im Alter von spätestens zwölf oder dreizehn Jahren für diese Wissenschaft zu begeistern begonnen hat. Ich war in dem Alter schon Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft in der Treptow-Sternwarte in Berlin. Dieses Interesse hat mich nie wieder losgelassen“. Bereits als 16-Jähriger führte er als freier Mitarbeiter Schulklassen durch die Archenhold-Sternwarte in Berlin-Alt-Treptow. Da es zur Zeit seines Studiums an der Humboldt-Universität Berlin keine Spezialisierung auf Astronomie gab, entschied sich Herrmann während des Physikstudiums von 1957 bis 1963 für das Spezialgebiet Biophysik. Danach arbeitete er von 1963 bis 1969 in der Staatlichen Zentrale für Strahlenschutz der DDR. „Das hat aber alles nichts an meiner Begeisterung für Astronomie geändert“. Die Kombination  aus seiner Leidenschaft und der Aufforderung der Sternwarte, Herrmann solle doch im Fachgebiet der Astronomie promovieren, ließ ihn später auch in seinem beruflichen Weg weiter ins Weltall blicken.

Im Jahr der Mondlandung 1969 promovierte er zum Dr. rer. nat. mit dem Thema „Die Entstehung der astronomischen Fachzeitschriften in Deutschland“. Von 1976 bis 2004 leitet er die Archenhold-Sternwarte in Berlin-Alt-Treptow, in der er Jahre zuvor schon als Kind seinem Interesse nachging. Im Jahr 1986 erfolgte die Habilitation Herrmanns zum Dr. sc. und die Ernennung zum Honorarprofessor. 1987 war er Gründungsdirektor des zugehörigen Zeiss-Großplanetariums in Berlin-Prenzlauer Berg, dessen Bau er zuvor in einem Brief an die politisch Verantwortlichen der DDR forderte. Breite Bekanntheit erlangte Herrmann als Moderator von „AHA“, einer 15 Jahre laufenden Wissenschaftssendung des Fernsehens der DDR. Dass er, im Gegensatz zu vielen anderen Direktoren der DDR, seine Posten bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2004 inne hatte und nicht nach dem Fall der Mauer abgeben musste, war einer Unterschrift geschuldet, die der Astronom selbstbewusst verweigerte. „Alle, die das sofort unterschrieben haben, waren natürlich automatisch weg“.

Eigentlich war es geplant, das Interview mit Prof. Dr. Herrmann im Naturhistorischen Museum Wiens zu machen. Herrmann hätte am 11. März 2020 den Vortrag „Mythos Mond – Mondforschung von der Antike bis zur Gegenwart“ vor einem größeren Publikum im Museum halten sollen. Am selben Tag erfuhren wir allerdings, dass es aufgrund des Beschlusses der österreichischen Bundesregierung an diesem historischen Ort nicht stattfinden kann. Als eine von vielen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus, wurden auch die Bundesmuseen umgehend geschlossen. Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Wir einigten uns darauf, da Prof. Herrmann bereits am Vortag angereist war, das Interview im Frühstückssaal seines Hotels zu machen. Zu zweit, mit dem nötigen Abstand und ohne uns bei der Begrüßung und Verabschiedung die Hände zu schütteln. Als Vorsichtsmaßnahme, um eine möglich gegenseitigen Ansteckung zu verhindern. Während das Coronavirus beginnt, unser aller Leben zu bestimmen und weltweit Thema Nummer eins ist, richteten wir unsere Gedanken rund 40 Minuten in die Vergangenheit, die Zukunft und ins Weltall. Daraus wurde ein Gespräch über Außerirdisches, die DDR und die Freiheit der Wissenschaft. 

 

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