Barbara Prammer wäre es gewesen, gegen die vermutlich kein anderer Kandidat bei der Bundespräsidentschaftswahl 2016 eine Chance gehabt hätte. Als überparteilich und durchdacht agierende Nationalratspräsidentin brachte ihr ihre Politik Respekt weit über die Parteigrenzen hinaus ein. Dieser Respekt und die breite Zustimmung im ganzen Land wurden am Tag des für sie angeordneten Staatsbegräbnisses auf sehr berührende Weise deutlich. Nach dem Tod der „vorbildlichen Demokratin“, wie sie der amtierende Bundespräsident Heinz Fischer nannte, hat sich auch die personale Debatte über den nächsten Inhaber oder die nächste Inhaberin des höchsten Amts des Landes geändert.
Nachdem Prammers Nachfolgerin als erste Nationalratspräsidentin, die ehemalige Infrastrukturministerin Doris Bures, recht schnell abgewunken hat, haben sich drei Namen herauskristallisiert, zwischen denen das Rennen um die Hofburg äußerst spannend werden könnte.
In der Riege der möglichen sozialdemokratischen Bewerber scheint der jetzige Minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz durchaus nicht abgeneigt zu sein. Bei der SPÖ gilt er seit Längerem als Mann für eigentlich eh alles. Als Kanzler, als Wiener Bürgermeister und neuerdings auch als Bundespräsident ist der 63-jährige Wiener im Gespräch. In der ORF-Pressestunde sagte er auf jeden Fall „nicht nein“, dazu sei das Amt zu „wichtig und wertvoll“. Ob sich hier vor laufender Kamera seitens Hundstorfer eine maßlose Selbstüberschätzung abzeichnet, sei dahingestellt, er gibt sich damit jedenfalls weitaus offener als die beiden anderen Herren über deren Antreten spekuliert wird. Laut den letzten Umfragen liegt Rudolf Hundstorfer abgeschlagen am dritten Platz hinter seinen beiden möglichen Gegenkandidaten, für die Sozialdemokraten wäre er aber mit seiner bürgernahen Art wahrscheinlich noch der erfolgreichste oder am wenigsten erfolglose Kandidat.
Noch vor Othmar Karas und Christoph Leitl gilt Erwin Pröll als der wahrscheinlichste Kandidat der ÖVP. Obwohl er in der Zeit im Bild 2 bei Armin Wolf eigentlich gegen sich selbst gewettet hat, gilt zumindest das Liebäugeln mit der Kandidatur in Insider-Kreisen als real. Für Pröll wäre es der krönende Abschluss einer jahrelangen Politik-Karriere. Sollte er das Antreten wagen, wird er vermutlich mehrmals mit einem hauptsächlich von Journalisten zitierten Spruch konfrontiert werden: „Das Archiv ist der größte Feind des Politikers“. Der seit über 20 Jahren amtierende niederösterreichische Landeshauptmann wollte 2012 das Amt des Bundespräsidenten abschaffen und über das Schweizer Modell diskutieren. Ob dies eine verspätete Trotzreaktion wegen der letzten möglichen Kandidatur zum Bundespräsidenten war, darüber möchte ich nicht spekulieren. Soweit wurde es jedenfalls medial schon kommuniziert: Wenn Pröll will, dann will auch die ÖVP. Pröll selbst, der als Stratege und guter Wahlkämpfer gilt, lote angeblich noch seine Chancen aus.
Für den ehemaligen Bundesvorsitzenden der Grünen und jetzigen Wiener Gemeinderat, Alexander Van der Bellen, stehen die Chancen laut Umfragen gut. Ziemlich sicher würde er gegen Erwin Pröll in die Stichwahl kommen. Dieses Szenario wäre äußerst spannend. Man möchte fast sagen, zwei Polit-Giganten stünden sich in einer Stichwahl um das höchste Amt des Landes gegenüber. Die Wahl würde der Kandidat entscheiden, zu dem die Stimmen von Hundstorfer wandern. Somit wäre Van der Bellen weitaus mehr als nur ein „Zählkandidat“, wie auch die Grünen-Gründerin Freda Meissner-Blau meint. „Er ist beliebt, er ist sehr verbindlich und liebenswürdig und spricht einen professoralen Jargon, so dass ihn jeder versteht, und nicht in Politiker-Luftblasen. Das macht ihn für viele Menschen sympathisch. […] Van der Bellen ist ein respektabler Kandidat.“, so Meissner-Blau im Jänner dieses Jahres. Für Van der Bellen steht es momentan „fifty-fifty“ ob er antritt oder nicht, wie er vor Kurzem bei Barbara Stöckl in ORF 2 gesagt hat. Das größte Manko an der Präsidentschaft sei für den 71-jährigen der Verlust an Privatleben. Zudem spricht er eine äußert spannende politischen Situation an. Erwin Pröll scheint zu warten, ob Van der Bellen antritt und umgekehrt genauso. Beide wollen, sofern sie antreten, verständlicherweise auch gewinnen. So befinden sie sich in einer Situation, die man durchaus als Präsidenten-Patt bezeichnen kann. Diese Situation kann nur aufgehoben werden, indem sich einer der möglichen Kandidaten vorwagt und seine Kandidatur bekannt gibt. Da mit einem Antreten Hundstorfers zu rechnen ist, muss entweder Pröll oder Van der Bellen aus seiner Deckung kommen und in den politischen Wahlkampf-Ring steigen. Wenn sich Van der Bellen vorwagt, wird es Pröll nicht machen. Die Chance einer Wahlniederlage ist viel zu hoch. Sollte sich Erwin Pröll vor dem grünen Professor dafür entscheiden, könnte der Reiz für Van der Bellen noch größer sein. Dies wird Pröll aufgrund der Ungewissheit über den nicht einschätzbaren Wahlausgang vermeiden. So liegt es an Van der Bellen, die Patt-Situation aufzulösen. Dies wird laut ihm spätestens im Jänner 2016 der Fall sein. Zu diesem Zeitpunkt sollte sich dann auch Heinz Fischer bereits Gedanken über die Zeit nach seiner Präsidentschaft machen.
Die Chancen auf eine spannende Wahl 2016 wären gegeben, außer Van der Bellen und Pröll wollen beide nicht, dann wäre es wohl ein ziemlich einfältiger Wahlkampf. Herr Van der Bellen, Sie sind am Zug!