NACHGEFRAGT

„Sollte es Leben auf dem Mars geben, müssten wir es bis 2030 identifiziert haben“

6. April 2020

Aleksandar Janjic, der 27-jährige Astrobiologe und einer der jüngsten Sachbuchautoren Deutschlands, studiert Ökologie und Astrophysik an der Technischen Universität München. In seinen Büchern „Lebensraum Universum: Einführung in die Exoökologie“ (2017, Springer) und „Astrobiologie – die Suche nach außerirdischem Leben“ (2019, Springer) eröffnet er in verständlichen Worten einem breiten Publikum den Zugang zu seinem Fachgebiet. Am Rande der Konferenz „Leben im All“ im Rahmen der 39. Neubrandenburger Weltraumtage, an der Janjic selbst einen Vortrag hielt, habe ich den Exoplanetenforscher letztes Jahr interviewt. 

Andreas Kirchner: Als Astrobiologe beschäftigen Sie sich mit der Suche nach außerirdischem Leben. Wie weit spielt dabei die Entwicklung von Leben auf unserem Planeten eine Rolle? 

Aleksandar Janjic: Die Hauptrolle! In der evidenzbasierten Astrobiologie geht es in erster Linie nicht um weit entfernte Welten und exotische Wesen, sondern vielmehr um ein besseres Verständnis unseres Planeten Erde. Bis heute wissen wir nicht, wie Leben im Umwelt-Kontext der Erde entstanden ist, wenngleich es einige Hypothesen gibt, die immer besser experimentell überprüfbar sind. Die Entstehung des Lebens ist – wenn man so will – der Stein von Rosetta, mit dem wir andere Welten decodieren können. Mit dem Fokus auf die Erde und erdähnlichen Welten im Universum bekennen wir uns zwar zugegebenermaßen auf einen „irdischen Nationalismus“, aber das scheint mir besser zu sein, als durch das Denken an exotischste Wesen ewig im Bereich des Konjunktivs zu verbleiben. 

Aleksandar Janjic während seines Vortrages in Neubrandenburg

Kann man davon ausgehen, dass die Bedingungen auf anderen Planeten ähnlich der Erde sein müssen um darauf Leben entstehen zu lassen oder wäre es auch denkbar, dass auf anderen Himmelskörpern Leben auch unter ganz anderen Bedingungen entsteht? 

Persönlich würde ich sagen, dass Leben überall dort entstehen könnte, wo es die Thermodynamik erlaubt. Aber Sie merken es schon: „Könnte, Möglicherweise, Vielleicht“ – hier lässt sich immer nur im Konjunktiv reden. Selbst wenn Leben unter ganz anderen Bedingungen entstehen kann, täten wir trotzdem gut daran, zunächst die Entstehung des Lebens bei uns zu klären. 

Welche Rolle spielt die Habitable Zone in der Planetenforschung Ihrer Meinung nach? 

Sie ist ein wichtiger Habilitätsfaktor, wenn wir Exoplaneten einordnen wollen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten – ein zu versteifter Fokus auf die Habitable Zone wird uns spannende Welten vorenthalten. Für die Frage nach außerirdischem Leben ist die Habitable Zone meiner Meinung nach gar nicht so entscheidend, zumal wir im Sonnensystem Körper haben, die perfekt in der Zone liegen, aber alles andere als lebensfreundlich sind. Während weit außen im Sonnensystem, fern jeder Habitablen Zone, die Eismonde von Jupiter und Saturn mit ihren unterirdischen Ozeanen heute als die aussichtsreichsten Körper für die Entdeckung außerirdischen Lebens gelten. 

Welche Methode ist Ihrer Meinung nach die sinnvollste und vielversprechendste, um nach Exoplaneten zu suchen? 

Man arbeitet heute mit neun Techniken, wobei nur zwei davon wirklich technisch sehr ausgereift sind – die Radialgeschwindigkeitsmethode und die Transitmethode. Ich würde sagen, dass wir alle Techniken beachten sollten. Wieso sollten wir einen Fokus legen? Jede Technik hat Vor- und Nachteile und kann gewisse Planetentypen finden. Persönlich bin ich ein Fan vom Direct Imaging, hier ist die Technik jedoch noch nicht ausgereift. 

Sind Sie mit der medialen Berichterstattung über die Exoplanetenforschung zufrieden? 

Die Berichterstattung verspricht zu viel. So wird immer wieder von einem Fund einer zweiten Erde oder extrem erdähnlichen Welten berichtet, was in der Originalpublikation jedoch nie gesagt wurde. Hier ist also Vorsicht geboten – die breiten Medien sind hier zu reißerisch. Es gibt natürlich auch vorbildliche und reflektierende Medien, insbesondere Wissenschaftskanäle und -seiten. 

Was können Sie mit hypothetischen Gleichungen wie zum Beispiel der Drake-Gleichung anfangen, mithilfe derer man die Wahrscheinlichkeiten von der Existenz außerirdischen Lebens berechnen kann? 

Nichts – sie spielt in unserer Arbeit keine Rolle. Je nachdem, welche Werte Sie in die Drake-Gleichung einsetzen, erhalten Sie eine immense Streuung der Ergebnisse. Sie arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten, beinhaltet im gleichen Zug jedoch nicht die Grundlagen der Statistik. Wir kennen nur einen lebendigen Planeten und haben somit ein N von 1. Wir brauchen mehr N, um verlässliche Aussagen treffen zu können. Ein intuitives Bauchgefühl kann selbstverständlich nicht in wissenschaftlichen Arbeiten herangezogen werden. Die Formel verspricht eine statistische Sicherheit, die es nicht gibt – und dessen war sich Drake auch selbst bewusst und hat auch darauf hingewiesen in seiner Arbeit. 

Was sagt Ihr Gefühl? Wie denken Sie persönlich über die Existenz von außerirdischem Leben? 

Meines Erachtens ist die einzige sinnvolle Antwort, die man hier geben kann, agnostischer Natur: Wir wissen mit den heutigen Daten nicht, ob es außerirdisches Leben gibt. Selbstverständlich erscheint es mir aber intuitiv, dass wir nicht die Einzigen sind. Die Zeit wird es zeigen. 

Der NASA-Chefwissenschaftler Dr. Jim Green zeigt sich zuversichtlich, dass wir außerirdisches Leben bald entdecken werden. Womöglich schon auf der nächsten Mars- Mission. Trauen Sie sich eine Jahreszahl zu sagen? 

Die Voraussetzung für solche optimistischen Aussagen ist natürlich, dass es dieses Leben auch gibt. Falls es außerirdisches Leben im Sonnensystem gibt, bin ich auch zuversichtlich, dass wir es in diesem Jahrhundert entdecken werden. Das liegt einfach daran, dass alle Missionen bereits anstehen oder in Planung sind – die Technik ist reif. Sollte es Leben auf dem Mars geben, müssten wir es bis 2030 identifiziert haben – für Leben auf den Eismonden im äußeren Sonnensystem, insbesondere Europa und Enceladus, sage ich 2050. 

Dr. Green meinte weiter, dass die Menschheit nicht darauf vorbereitet wäre. Hier handelt es sich zwar nicht um Ihr Fachgebiet, aber unterschätzt man beispielsweise Seitens des SETI-Instituts in Kalifornien Auswirkungen der Entdeckung von außerirdischem Leben nicht, wenn Dr. Shostak meint, die Menschheit sei bereits aufgrund vieler Filme und Serien auf genau dieses Szenario darauf vorbereitet? 

Wenn wir außerirdisches Leben in Form von Mikroorganismen finden, wird keine großen Vorbereitung von Nöten sein. Sie sprechen also den Nachweis extraterrestrischer Intelligenz an, die uns womöglich in vielen Dingen überlegen sein könnte. Die Antwort von Dr. Shostak muss man meines Erachtens insofern lesen, als dass er sagt, dass es keinen großen Sinn macht, sich allerlei Verteidigungsstrategien zu überlegen, wenn die Aliens ohnehin superintelligent wären. Das sehe ich ebenfalls so. Das liegt aber auch daran, dass ich nicht in diesem Teil der Astrobiologie tätig bin – Kollegen von SETI & Co. mögen das anders sehen. 

Der Schweizer Sachbuchautor Erich von Däniken hat die Theorie der Paläo-SETI erstmals 1968 in seinem ersten Buch „Erinnerungen an die Zukunft“ einem breiten Publikum näher gebracht. Wäre es für Sie als Wissenschaftler denkbar, dass sich diese Theorie eines Tages bestätigt? 

Als Wissenschaftler müssen wir eins begreifen: Jede Frage, jede Hypothese und jede Theorie ist es wert, überprüft zu werden. Noch wichtiger: Jede Theorie ist per se unvollständig und in einem Zeit-Kontext gefangen, auch wenn Wissenschaftler sich das oft nicht eingestehen wollen. Was mir negativ auffällt ist, dass Gedanken an die Prä-Astronautik immer wieder stigmatisiert werden, was jedoch nicht zuletzt daran liegt, dass einige Personen in diesem Umfeld selber sehr stigmatisierend sind. Die Prä-Astronautik stellt eine interessante Frage – diese Fragen müssen jedoch so gestellt werden, dass sie grundsätzlich falsifizierbar sind. Mit dogmatischen Argumenten geht es nicht. Das Buch von von Däniken gefällt mir gut, seine Aussagen sind meines Erachtens grundsätzlich falsifizierbar und somit wissenschaftlich untersuchbar. 

Ab wann ist es eine Hypothese nicht wert, wissenschaftlich untersucht zu werden? 

Nie! Jedoch muss eine Hypothese eine Regel beachten: Sie muss grundsätzlich falsifizierbar sein. In der Wissenschaft geht es nicht darum, Sachverhalte endgültig zu beweisen. Es geht darum, so viel Falsches wie möglich auszuschließen und daraus immer bessere Prognosen und Experimente abzuleiten. Falsifikation ist der Schlüssel. Eine Hypothese, die nicht falsifizierbar ist (z.B. extrem intelligent Aliens haben das Universum erschaffen, göttliche Kräfte haben das Universum erschaffen, etc.) sind deshalb schwer mit wissenschaftlicher Arbeit vereinbar, weil es sich selbst bestätigende Aussagen sind, die nicht wissenschaftlich widerlegbar sind. 

Halten Sie selbstauferlegte Denkverbote in der Wissenschaft auf irgendeiner Ebene gerechtfertigt? 

Nein – unsere Werte und Vorstellungen ändern sich mit der Zeit. Ein statisches Denkverbot macht in einer dynamischen Welt meines Erachtens wenig Sinn. 

An was forschen Sie aktuell? 

Zur Zeit arbeite ich an extremophilen Organismen und an dem Thema „Assisted Evolution“, also inwiefern irdische Organismen „künstlich“ an härtere Umweltbedingungen angepasst werden können, beispielsweise für Raumfahrtmissionen aber unter anderem auch hinsichtlich eines bevorstehenden Klimawandels. 

Letztes Jahr waren Sie in Seattle/USA und haben bei der NASA Überzeugungsarbeit geleistet? Erzählen Sie mir davon bitte etwas mehr. 

Es ging um einen Bereich meiner Arbeit, in der die Rolle von Viren in der Astrobiologie verdeutlicht werden sollte. Konkret ging es darum, dass die heutigen Missionen nicht in der Lage sind, Viren auf anderen Himmelskörpern (z.B. dem Mars im Zuge der Mars 2020 Mission) nachzuweisen. Auf der Erde kommen Viren in deutlich höheren Mengen vor als Mikroben und auch für den ehemals lebensfreundlichem Mars schließe ich nicht aus, dass sich im Zuge seiner Evolution möglicherweise nur virusähnliche Partikel entwickelt haben, wenn man annimmt, dass Viren vor mikrobiellen Zellen in der Evolution entstehen, was auch als Virus-First-Hypothese bezeichnet wird. Die Anregungen wurden positiv aufgenommen – nun arbeite ich mit Kollegen aus den USA an einem Position Paper, in dem wir der NASA noch einmal offiziell unsere Motivation darlegen. 


Titelfoto: © NASA (Schematische Darstellung der Bahnen in Planeten­systemen, die mit der Transit­methode entdeckbar sind)

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