FREIGEDACHT

Unüberhörbares Schweigen

6. Februar 2021

Als pädagogisches Personal im Kindergarten ist man es eigentlich schon gewohnt, politisch quasi nicht vorzukommen. Zwar hat man sich seit Jahrzehnten in irgendeinem scheinbar gut isolierten und wahrscheinlich von Kindern weit entfernten Büro immer wieder ausgetobt, wenn es um die Bezeichnung dieses Berufs geht – von Tante, über Kindergärtnerin, bis hin zu Elementarpädagogin war alles dabei -, bei den Rahmenbedingungen und der Bezahlung jedoch, herrscht konsequentes und unüberhörbares Schweigen. Besonders laut wird dieses Schweigen gerade jetzt während der Corona-Pandemie. Man möchte fast meinen, die Protagonisten der Bundesregierung wissen nicht, wie man das Wort „Kindergarten“ schreibt, geschweige denn ausspricht. 

Zu kritisieren gibt es an der Situation in und um den Kindergarten genug, darüber wären ganze Bücher zu füllen. Angefangen vom Betreuungsschlüssel, der längst keinem wissenschaftlichen Standard mehr entspricht, bis hin zu der Anzahl der Kinder in den Gruppenräumen, die eher an Geflügel in Bodenhaltung erinnert, als an eine Bildungseinrichtung für heranwachsende Menschen in einer der prägendsten Phasen ihres Lebens. Sie fragen sich, warum sich bis jetzt an dieser untragbaren Situation nichts geändert hat? Kinder haben keine Lobby und das Kindergartenpersonal offenbar zu wenig Selbstbewusstsein.

Während Piloten gefühlt einmal im Jahr ihre Arbeit niederlegen um für ein besseres Gehalt zu streiken, sieht man das pädagogische Personal sehr selten auf den Straßen. Stattdessen kriechen sie noch erschöpft vom Vortrag, an dem es wieder irgendeine Supervision, Teambesprechung, Reflexion oder Vorbereitung nach dem ganz normalen „Kinderdienst“ gab, zurück in den Kindergarten und nehmen im Minutentakt die Kinder von den Eltern entgegen, die selbst an ihren Arbeitsplatz hetzen. Dies alles in Anbetracht der Verantwortung für einen Hungerlohn. Auf die umfangreiche pädagogische Arbeit, die an so einem Arbeitstag im Kindergarten vollbracht wird, möchte ich hier gar nicht genauer eingehen. Damit wurden bereits ganze Bücher gefüllt.

Das alles ist scheinbar noch irgendwie ertragbar am unendlich geduldigen Rücken sämtlicher Pädagoginnen und Pädagogen dieses Landes. Jetzt hat sich die Situation aber drastisch geändert. Seit über zehn Monaten sind wir alle mit dem Corona-Virus und seinen Auswirkungen konfrontiert. In unserem politischen System ist es die Aufgabe der handelnden Politikerinnen und Politiker, unsere Gesellschaft auf solche Ereignisse vorzubereiten. Dass dies zu Beginn der Pandemie noch nicht wirklich funktioniert hat, ist verständlich. Zum jetzigen Zeitpunkt befinden wir uns allerdings in der Lage einer Zuspitzung, die es so eigentlich nicht geben dürfte. Es gab über den Sommer ausreichend auf die Ausbreitung des Virus bezogen relativ entspannte Zeit, sich auf den von vielen Expertinnen und Experten hingewiesenen herannahenden Herbst und Winter vorzubereiten. Passiert ist offensichtlich sehr wenig bis gar nichts. Das war wirklich kein Sprung ins kalte Wasser, den die Regierung hier machen musste. Stattdessen machte sie einen Köpfler ins leere Becken. 

327 Tage nachdem die WHO die Corona-Pandemie ausgerufen hat, hält ein Teil unserer Regierung eine Pressekonferenz zu den neuen Maßnahmen nach dem dritten Lockdown, der in Wirklichkeit nie einer war. Nachdem es von oberster Stelle, dem Kanzler, kein Wort zum Elementarbildungsbereich gibt, hofft man als braver Bürger mit elementarpädagogischem Berufshintergrund noch auf den Bildungsminister in einer der folgenden Pressekonferenzen. Faßmann erzählt von einem „Schutzkonzept“, das, wie er meint „in Europa nicht ein zweites Mal zu finden ist“. Weiter bezieht er sich dann auf die Schulen, erwähnt den Kindergarten dabei nur beiläufig, wenn es um die Tests in den Bildungseinrichtungen geht. „Auf die Elementarpädagogen vergesse ich nicht, auch wenn ich dafür nicht zuständig bin“. Zuständig sind die Bundesländer und Gemeinden, was den Kindergärten aber herzhaft wenig hilft. Offenbar gab es auch von dieser Seite wenig Vorbereitung, sowie keine notwendige Zusammenarbeit der unterschiedlichen politischen Ebenen. 

Wenn man schon nach monatelanger Auseinandersetzung mit der Corona-Thematik kein Konzept für den Kindergarten entwickelt hat, wäre es zumindest von der politischen Seite ehrlich zu sagen, dass es kein sinnvolles Konzept für den Kindergarten während der Corona-Krise gibt. Vielleicht einfach, weil es zum Berufsrisiko gehört, sich womöglich mit Corona anzustecken, wenn man mit Kleinkindern ohne Abstand und Masken arbeiten muss. Diese Haltung wäre nicht sehr beruhigend, aber immerhin ehrlich. Die zuständige Politik nimmt aber nur sehr vage oder einfach gar nicht Stellung zur Situation in den Kindergärten. Das war in den letzten Jahren schon mühsam, jetzt ist es im schlimmsten Fall gesundheitsgefährdend oder sogar tödlich. Andererseits muss ich sagen, dass es mich fast schon beeindruckt, wie konsequent auf den Kindergarten – verzeihen Sie mir bitte diesen Ausdruck – geschissen wird. Anders kann man es eigentlich nicht mehr ausdrücken.


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