NACHGEFRAGT

„In der Wissenschaft muss man sich die Dinge oft erst vorstellen, bevor man sie entdeckt“

10. April 2021

ʻOumuamua ist der Name des ersten innerhalb unseres Sonnensystems beobachteten Objektes, das als interstellar klassifiziert wurde. Besondere Aufmerksamkeit bekommt es von Abraham „Avi“ Loeb, einem in Israel geborenen theoretischen Physiker der Harvard University. Im Gegensatz zur Ansicht der meisten seiner Kolleginnen und Kollegen, vertritt er die Hypothese, dass es sich bei ʻOumuamua um ein künstliches Objekt einer außerirdischen Zivilisation handelt und nicht um einen natürlich entstandenen Kometen.

Diese Minderheitenmeinung in der Wissenschaftsgemeinde ist die Basis für sein im Februar 2021 erschienenes Buch „Außerirdisch. Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“. In 660 000 Worten erklärt Loeb einerseits als Wissenschaftler, wie er zu seiner Hypothese bezüglich der Herkunft von ʻOumuamua kommt, geht andererseits aber auch sehr detailliert auf seine eigene Geschichte ein und knüpft dabei auf sprachliche Weise Fäden zwischen den prägenden Ereignissen seines Lebens und der kindlichen Neugier, die er sich bis heute erhalten hat. Einige Wochen nach dem Erscheinen seines Buches, das auch außerhalb der Wissenschaftskreise für großes Aufsehen sorgt, habe ich mich mit dem 62-jährigen Astronomen zu einem Interview via Skype verabredet. Es wurde ein Gespräch über Neugier, die Suche nach Außerirdischen und den vorherrschenden Konservatismus in den Naturwissenschaften.

Andreas Kirchner: Lassen Sie mich mit einer persönlichen Frage beginnen: Für welche Themen haben Sie sich als Kind am meisten interessiert?
Prof. Avi Loeb: Ich bin auf einer Farm aufgewachsen, dort habe ich jeden Nachmittag die frisch gelegten Eier eingesammelt und bin danach auf die Hügel in der Nähe des Dorfes gefahren, um dort Bücher aus dem Bereich der Philosophie zu lesen. Mein größtes Interesse waren die grundlegenden Fragen unserer Existenz. Als ich älter wurde, wollte ich Philosoph werden, die Umstände haben mich aber zur Physik gebracht. Letztendlich bin ich im Bereich der Astrophysik gelandet, worin ich auch eine Stelle an der Harvard-University bekam.

Heute sind Sie offensichtlich erwachsen und immer noch neugierig. Wie haben Sie sich Ihre natürliche Neugier bis heute erhalten?
Mein Weg in die Wissenschaft hat es mir sicher leichter gemacht, mir meine natürliche Neugier zu behalten. Die Wissenschaft gibt mir und uns allen ein sehr nützliches Werkzeug, um die Frage nach dem Warum und dem Wo zu beantworten. Wir sind in diese Welt geboren, wie Schauspieler auf eine Bühne ohne Skript. Doch wo stehen wir auf dieser Bühne? Gibt es noch andere Schauspieler? Wenn ja, wo sind sie? In den Religionen und der Politik musst du auf alles Antworten haben, in der Wissenschaft hingegen ist es absolut akzeptiert, dass man es einfach nicht weiß und sich auf der Suche nach Antworten von Beweisen leiten lässt. Das genieße ich sehr! Wenn jemand von der Zahl an Likes, die er auf Twitter bekommt, geleitet wird, wird diese Person oft enttäuscht sein, weil sie den Respekt nicht bekommt, den sie sich von anderen vielleicht wünscht. Wenn man das, was man gern macht, manipuliert, nur um gemocht zu werden, ist das kein befriedigender Weg zum Glück. Man wird nie glücklich sein, wenn man von der Gunst anderer Menschen abhängig ist. Die einzige Möglichkeit glücklich zu sein, ist es herauszufinden, was die eine Sache ist, die man gern macht.

In Ihrem aktuellen Buch „Außerirdisch“ kritisieren Sie den vorherrschenden Konservatismus in den Naturwissenschaften. Sie schreiben, dass viele Wissenschaftler ihre kindliche Neugier verloren haben. Warum ist das so?
Das liegt an verschiedenen Aspekten. Zum einen ist es das Verlangen der akademischen Gesellschaft, sich vom Rest der Öffentlichkeit abzuheben. Wissenschaft sollte aber nicht abgehoben, sondern eine Lebenseinstellung sein. Sie sollte der Öffentlichkeit zugänglich sein, um sie zu verstehen. Die meiste Zeit ist Wissenschaft in der Entwicklung, es gibt nahezu immer zu wenig Beweise, um sich für eine bestimmte Interpretation zu entscheiden. Die Öffentlichkeit muss verstehen, dass es in der Wissenschaft immer verschiedene Möglichkeiten gibt und solange wir nicht genug Beweise haben, können wir nicht sicher sein. Wenn man daheim im Keller ein Problem mit einem Rohr hat, versucht man herauszufinden, was das Problem ist. Es gibt oft mehrere Möglichkeiten, was das Problem sein könnte und dann versucht man, mehr Hinweise zur Lösung zu finden. Schließlich kommt man zur richtigen Erklärung für das Problem. In der Wissenschaft ist es der exakt gleiche Weg. Es geht darum, durch Beweise geleitet die richtige Antwort zu finden. Viele meiner Kollegen meinen, dass wir mit unseren Hypothesen nicht an die Öffentlichkeit gehen sollten, solange wir nicht eine absolut sichere Erklärung haben. Das ist aber nicht die richtige Einstellung. Gerade die Suche nach außerirdischen Signaturen ist von großem öffentlichen Interesse. Es gibt sogar eine Verpflichtung dazu, weil die Öffentlichkeit schließlich die Forschung finanziert. Das zweite Problem ist, dass viele Wissenschaftler zeigen wollen, dass sie intelligent sind. Viele Wissenschaftler aus dem Mainstream beschäftigen sich mit Fragen, für die es keine Möglichkeit zur experimentellen Überprüfung gibt, weil so nie bewiesen werden kann, dass sie falsch liegen. Wie zum Beispiel mit der String Theorie, mit anderen Dimensionen oder Multiversen. Das sind alles Konzepte des Mainstreams, die man bis jetzt nicht überprüfen konnte und wahrscheinlich auch nicht während der nächsten Jahrzehnte überprüfen können wird. Es ist natürlich sehr bequem, die Wissenschaftler können mathematische Gymnastik machen und zeigen, wie intelligent sie sind. Ich persönlich betrachte diese Fragen allerdings weitaus spekulativer als die nach technischen Signaturen von Außerirdischen.

Also ist unter anderem das Ego vieler Ihrer Kollegen schuld, warum sie Ihre Hypothese zu ´Oumuamua ablehnen?
Ja, damit hat es definitiv zutun. Da gibt es noch einen anderen Aspekt auf das Ego bezogen, nicht nur wenn es Wissenschaftler betrifft. Als meine Töchter sehr jung und noch daheim waren, dachten sie, dass sie die intelligentesten sind. Als wir sie in den Kindergarten gaben, haben sie aber realisiert, dass das wahrscheinlich nicht der Fall ist. Das war für sie ein psychologischer Schock. Hätte ich meine Kinder gefragt, ob sie daheim bleiben oder in den Kindergarten gehen wollen, wären sie wahrscheinlich lieber daheim geblieben, um sich diese Illusion zu behalten. Der Widerstand gegen den Gedanken, es auch nur für möglich zu halten, dass es andere technologische Zivilisationen gibt, existiert meiner Meinung nach nur, weil wir glauben, speziell, einzigartig und privilegiert zu sein.

Neben einigen anderen Faktoren machen Sie Science Fiction Serien wie Star Trek dafür verantwortlich, dass viele Wissenschaftler die Suche nach Außerirdischen nicht ernst  genug nehmen.
Natürlich hat Science Fiction auch Vorteile. Wenn Sie mich fragen, ob ich es gut finde, dass es existiert: Natürlich finde ich das gut, es ist Teil unserer Kultur. Aber die Reaktion der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf deren Existenz finde ich nicht gut. Die Öffentlichkeit ist von Science Fiction Geschichten fasziniert, dabei werden aber falsche Vorstellungen vermittelt. Es gibt viele Menschen, die behaupten, sie wären von Außerirdischen entführt worden oder haben eine fliegende Untertasse gesehen. Die Wissenschaftler wollen dann aber mit solchen Berichten nichts zutun haben, weil sie nicht glaubwürdig sind. Offen gesagt, viele nicht sehr vertrauenswürdige Menschen behaupten, dass ihnen etwas Ungewöhnliches widerfahren sei und sie versuchen es mit Aliens in Verbindung zu bringen. Aufgrund dieser Argumentation, dass es laut deren Aussagen etwas mit Aliens zu tun hat, schrecken Wissenschaftler davor zurück, als wären die Menschen radioaktiv. Die Wissenschaftler wollen nicht Teil dieser Diskussion sein. Wir sollten aber mutig genug sein zu sagen, dass es Menschen gibt, die Schwachsinn zu diesem Thema sagen. Es gibt ja auch Menschen – darunter wichtige Politiker -, die Schwachsinn über Covid-19 sagen. Aber heißt das, dass wir keine Impfung entwickeln hätten sollen? Nein! Wir sollten den Schwachsinn einfach ignorieren, die wissenschaftliche Methode anwenden und uns um dieses Feld auf faire Weise kümmern, geleitet von gesicherten Fakten und Beweisen. Das ist der Weg nach vorne! Themen nicht zu untersuchen, nur weil man Angst um seine Reputation hat, ist nicht der Weg, den die Wissenschaft gehen sollte.

Meine Hoffnung ist, dass die junge Generation diese Situation verändert, sobald sie die Hallen der Wissenschaft betritt.

Wie hat sich die Suche nach Außerirdischen während der letzten Jahrzehnte verändert?
Die Finanzierung für die Suche nach technischen Signaturen ist ein wenig gestiegen. Aber es bräuchte eine Erhöhung von einem Faktor von tausend oder mehr. Das Gebiet ist noch immer massiv unterfinanziert. Nur als Beispiel: Es gibt die Suche nach Dunkler Materie, wobei es sich um die meiste Materie des Universums handelt, wir aber nicht wissen, was das ist. Forscher wurden mit hunderten Millionen Dollar finanziert, um nach der Dunklen Materie zu suchen, aber gefunden wurde nichts. Zur selben Zeit ist die Suche nach technischen Signaturen von Außerirdischen staatlich um einen Faktor von Tausend weniger finanziert. Wenn wir zum Beispiel herausfinden, dass es sich bei Dunkler Materie um ein Axion (Anm.: hypothetisches Elementarteilchen ohne elektrische Ladung und keiner Eigendrehung) handelt, hätte das überhaupt keine Auswirkung auf unser Leben. Wenn wir aber im Gegensatz dazu herausfinden, dass ´Oumuamua technischer Natur ist, hätte das eine enorme Auswirkung auf unser Leben. Die Bedeutung einer solchen Entdeckung wäre so groß, man könnte sie nicht ignorieren. Man kann die Möglichkeit, dass es sich um Aliens handelt nicht immer einfach wegwischen und sagen, dass es sich um einen Stein handelt. Das wäre wie ein Höhlenmensch, der sein ganzes Leben nur mit Steinen spielt und auf einmal ein Handy bekäme und es für einen polierten Stein hält. Wenn wir nicht bereit sind, wundervolle Dinge zu entdecken, werden wir sie auch nicht entdecken. Meine Hoffnung ist, dass die junge Generation diese Situation verändert, sobald sie die Hallen der Wissenschaft betritt. Die Jungen haben keine Vorurteile, sie tragen nicht den Rucksack der Geschichte mit sich. Vielleicht bin ich etwas naiv in dieser Frage, aber ich hoffe, dass die jungen Menschen etwas für eine bessere Zukunft verändern.

Das SETI-Institut wurde 1984 als non-profit Organisation mit der Mission gegründet, das Leben im Universum zu entdecken, zu verstehen und zu erklären. Wie waren die Reaktionen von SETI-Wissenschaftlern zu Ihrem Buch? Einige von ihnen haben ihr ganzes Leben der Suche nach Außerirdischen gewidmet.
Manche von ihnen waren begeistert, aber nicht alle. Als ich mit meiner Forderung nach einer höheren Finanzierung von der Suche nach Außerirdischen an die Öffentlichkeit ging, bekam ich von meinen SETI-Kollegen, die sich eben genau mit derselben Frage seit Jahrzehnten beschäftigen, nicht die Unterstützung, die ich eigentlich hätte bekommen sollen. Sie haben Angst, dass deren Förderungen noch weiter gekürzt werden, wenn sie mir recht geben, darum sind sie lieber still. Das finde ich paradox. SETI sucht seit rund 70 Jahren hauptsächlich nach Radio-, Laser- oder elektromagnetischen Signalen. Aber das ist, wie wenn man ein Telefongespräch führen will, der Mensch am anderen Hörer muss dafür noch leben. Wir haben zum Beispiel nie ein Telefongespräch mit den Maya geführt. Der einzige Weg etwas über diese Zivilisation herauszufinden, ist Archäologie. So ist es auch im Weltall. Die meisten Zivilisationen da draußen sind wahrscheinlich schon tot. Darum ist und war die Suche nach Radiosignalen bisher nicht erfolgreich. Obwohl wir auch nicht sehr gründlich gesucht haben. Ich schlage daher einen neuen Ansatz vor: Lasst uns nach außerirdischen Relikten suchen! Mit unseren Teleskopen werden wir demnächst immer mehr Objekte wie ʻOumuamua finden. Um Weltraum-Archäologie zu betreiben, müssen wir zu diesen Objekten Raumschiffe mit Kameras schicken, um Nahaufnahmen davon zu machen. Man sagt, ein Bild ist mehr wert als tausend Worte. In meinem Fall ist ein Bild mehr wert als 660 000 Worte, denn so viele Wörter stehen in meinem Buch.

Sie sprechen über SETA, die Suche nach außerirdischen Artefakten.
Genau. Wenn wir von dem Objekt eine Foto machen, können wir unterscheiden, ob es natürlich oder künstlich ist. Womöglich sehen wir etwas faszinierendes. Der nächste Schritt wäre eine Mission mit dem Ziel auf diesem Objekt zu landen. Vielleicht lesen wir dann eine Beschriftung wie „Made on Planet X“ oder vielleicht können wir die Technologie untersuchen und zur Erde bringen. Das würde uns viele Jahre in unserer eigenen Entwicklung weiterbringen und natürlich hätte es große Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. 

Die Paläo-SETI oder Prä-Astronautik ist die Hypothese, dass unser Planet vor langer Zeit von Außerirdischen besucht wurde und diese in die Evolution des Menschen eingegriffen haben. Der deutsche Wissenschaftsjournalist Rüdiger Vaas meint, dass diese Hypothese ein legitimer Teil von SETA ist.
Als ich meine Frau getroffen habe, hatte sie viele Freundinnen, die auf Prinz Charming auf einem Weißen Pferd gewartet haben, damit er ihnen einen Heiratsantrag macht. Es ist nie passiert. Es ist anmaßend zu glauben, wichtig und interessant genug für den Besuch von Außerirdischen zu sein. Wir entwickeln Technologien erst seit dem letzten Jahrhundert, davor waren wir ziemlich uninteressant, wenn man die menschliche Geschichte betrachtet. Wahrscheinlich gab es Milliarden Spezies wie uns. Wir sind wie Ameisen am Wegesrand, eine von vielen.

Die von mir erwähnte Hypothese hat Erich von Däniken 1968 mit seinem Buch „Erinnerungen an die Zukunft“ bekannt gemacht. Haben Sie seine Bücher gelesen?
Nein, das habe ich nicht. Aber ein Journalist hat mir seine Grüße ausgerichtet. Er lebt also noch. Er wurde in der Zeitung The New Yorker in einer Rezension meines Buches zitiert. Seine Gedanken waren sehr unterstützend. Sein erstes Buch wurde veröffentlicht, als ich noch sehr jung war. Die Behauptungen, die er damals gemacht hat, waren zu dieser Zeit sehr kontrovers. Offensichtlich gibt es keine wissenschaftlichen Fakten, die seine Sichtweise validieren würden, obwohl ich es nicht ausschließe. Während der letzten Jahre habe ich mich aber hauptsächlich auf wissenschaftliche Forschung fokussiert, darum habe ich seine Bücher nicht gelesen.

Welchen Beitrag hat Erich von Däniken zur Suche nach Außerirdischen geleistet?
Jede Diskussion dieser Art oder auch Science Fiction ohne wissenschaftliche Beweise ist wichtig, um unsere Vorstellung zu erweitern. In der Wissenschaft muss man sich die Dinge oft erst vorstellen, bevor man sie entdeckt. Daten sind nicht genug. Die Wichtigkeit dieser Bücher ist die Erweiterung unserer Vorstellungskraft. Darum können wir etwas finden, das wir uns ohne diese Werke nicht vorstellen könnten.

Das führt mich zu meiner nächsten Frage: 2017 hat die New York Times drei UFO-Videos veröffentlicht, die 2020 vom Pentagon offiziell veröffentlicht und somit bestätigt wurden. Bis jetzt gibt es keine klare Antwort auf die Frage, um was es sich bei diesen Objekten gehandelt hat. Könnte es sein, dass wir schon längst von Außerirdischen besucht werden, dies nur nicht wahrhaben wollen?
Natürlich ist das möglich, aber wir sollten bei den Fakten bleiben. Diese Videos wurden klassifiziert, weil es sich dabei um eine Frage der nationalen Sicherheit handelt. Wenn zum Beispiel Russland oder China mit diesem Equipment die USA ausspionieren, will die US-Regierung das natürlich wissen. Anstatt von Berichten besessen zu sein, die man von Augenzeugen erhält oder auf Equipment gespeichert sind, das nicht mehr den heutigen Standards entspricht, sollte man einen anderen Weg gehen. Heutzutage haben wir Kameras und Tonaufnahmegeräte, die um einiges besser sind als früher. Der beste Weg um herauszufinden, was diese UFOs sind, ist das beste Equipment bereitzustellen, es an den geographischen Orten der Sichtungen zu platzieren und zu versuchen, so viele Daten wie möglich zu sammeln. Dies alles auf eine offene, wissenschaftliche Weise, um zu sehen, ob dort wirklich etwas ungewöhnlich ist. Es würde auch nicht viel kosten, wir sollten das überprüfen. Warum auch nicht? Das erinnert mich an die biblische Geschichte von Abraham, der die Stimme Gottes gehört hat, die ihm sagte, dass er seinen einzigen Sohn Isaak opfern soll. Hätte Abraham ein Handy mit einer Tonaufnahme-App gehabt, hätte er den Knopf gedrückt und die Stimme Gottes aufgenommen und die Geschichte wäre bewiesen. Stattdessen müssen wir uns auf eine Zeugenaussage in einer biblischen Geschichte verlassen und selbst entscheiden, ob wir es glauben oder nicht. Das ist kein wissenschaftlicher Ansatz. In der Wissenschaft muss der Beweis immer reproduzierbar sein. Der beste Weg, um das mit UFOs zu machen, ist diese Geräte an den Orten der Sichtungen aufzustellen.

Wäre die Menschheit auf die Ankunft von Außerirdischen psychologisch ausreichend vorbereitet?
Das glaube ich nicht. Teilweise, weil sich die Menschen – auch Wissenschaftler – mit dieser Frage nicht auseinandersetzen wollen. Wenn man sich mit einer wichtigen Frage aber nicht beschäftigt, es ständig zur Seite schiebt und sich darüber lustig macht, wird es irgendwann eine Überraschung geben. Fast wie bei den Dinosauriern. Sie hatten große Körper und dachten, sie seien die Könige der Erde. Vor 66 Millionen Jahren gab es allerdings diesen riesigen Felsen von der Größe von Manhattan Island, der im Boden eingeschlagen und damit die Dinosaurier und Dreiviertel allen Lebens auf der Erde ausgelöscht hat. Was können wir davon lernen? Zuerst: Bleib bescheiden! Auch wenn du einen riesigen Körper hast, heißt das noch lange nicht, dass du sicher bist. Das menschliche Gehirn ist zwar um vieles kleiner, ist aber in dieser Frage weitaus hilfreicher, weil es Teleskope entwickelt hat, die uns vor einem Einschlag warnen. Sobald das passiert, werden wir den Felsen ablenken und diese Art von Katastrophe verhindern. Aber auch als Menschen sollten wir bescheiden bleiben, weiter lernen und nicht so tun, als würden wir die Antworten auf alle Fragen schon wissen. Das ist der größte Fehler, den wir immer und immer wieder machen. Wie viele Menschen können schon behaupten, zehn Jahre auf Twitter beliebt zu sein? Aristoteles, der brillante griechische Philosoph, wurde tausende Jahre bewundert. Allerdings machte er einen großen Fehler. Es schmeichelte seinem Ego, dass wir im Zentrum des Universums wären. Als wir diesen Gedanken aufgaben, gab es immer noch Menschen, die die Idee aufrecht erhalten wollten, dass wir eine einzigartige und intelligente Spezies sind. Nein, vergesst auch das! Bleibt einfach bescheiden und lernt von den Beweisen! Der Wille zu lernen beinhaltet es, alle Möglichkeiten auf den Tisch zu legen. Auch die Tatsache, dass ʻOumuamua ein Artefakt ist. 

Wäre es sicher, dass Außerirdische mit uns Menschen Kontakt aufnehmen würden und nicht mit einer anderen Spezies unseres Planeten?
Auch hier halte ich es für unwahrscheinlich, dass wir ihre Aufmerksamkeit verdienen. Aber in Bezug auf die Kommunikation ist natürlich nicht klar, wie sie kommunizieren würden und ob es ähnlich unserer Kommunikation wäre. Der Film „Arrival“ zeigt das sehr schön. Womöglich verwenden die Außerirdischen keine Schallwellen, kommunizieren aber vielleicht über den visuellen Weg. Das Thema Kommunikation ist sehr komplex. Es ist fast wie einen Code zu entschlüsseln, herauszufinden was sie mit den unterschiedlichen Signalen meinen, die wir erhalten. Vielleicht kommunizieren sie ja schon jetzt mit uns und wir bekommen es nur nicht mit? Es stellt sich die Frage nach deren Mitteln der Kommunikation, welche Sinne verwenden sie um zu kommunizieren? Und natürlich die Frage, welche Art von Sprache sie sprechen und wie sie denken. Wenn wir andere Menschen treffen, ist es sicher anzunehmen, dass wir unserem Gegenüber ähnlich sind, weil wir ein gemeinsamens genetisches Erbe haben. Die Wesen von anderen Planeten, die nie Kontakt zur Erde hatten, können komplett anders sein, als das Leben, das wir von unserem Planeten kennen. Es wäre schockierend für uns, Kontakt mit ihnen herzustellen.

Rassismus aus der Perspektive des Weltalls betrachtet, macht keinen Sinn.

Lassen Sie uns zum Abschluss unseres Gespräches auf unsere Zivilisation blicken. Aufgrund mehrerer Faktoren wie den Klimawandel, Pandemien, Armut oder Kriege befindet sich die Menschheit auf einem Scheideweg. Entweder wir kriegen es auf die Reihe und leben weiter oder wir zerstören uns selbst. Werden wir es schaffen, den richtigen Weg einzuschlagen?
Ich denke schon, dass wir das werden, wenn wir uns von einem angemessenen Kompass leiten lassen. Der größte Fehler, den Menschen in ihrer Geschichte gemacht haben und auch noch immer machen, ist sich jeweils dem anderen gegenüber überlegen zu fühlen. Das führte unter anderem zu Rassismus. Rassismus aus der Perspektive des Weltalls betrachtet, macht aber keinen Sinn. Die Farbe der Hautfarbe sagt überhaupt nichts über die Qualitäten eines Menschen aus. Dieses Verhalten hat uns an sehr dunkle Orte und in weiterer Konsequenz in Kriege geführt. Auch die Rivalität zwischen den Nationen führt zu nichts, wir sollten alle für eine bessere Zukunft zusammenarbeiten. Wären die wissenschaftlichen Fakten schon am Beginn der Covid-19 Pandemie zugänglich gewesen, hätten Wissenschaftler rasch Wuhan besuchen können, um etwas über die Details der Entstehung dieses Virus zu erfahren, hätten wir schon früher einen Impfstoff haben können. Nicht sehr viel früher, aber immerhin um einige Monate. Kooperation und das Teilen von Wissen ist zum Vorteil aller. Wissenschaft ist kein Nullsummenspiel, wie es in der Wirtschaft ist. Wenn in der Wirtschaft einer gewinnt, verliert ein anderer. Wenn jemand Wissen gewinnt, gewinnen aber alle. Wenn wir aufhören damit, die Wissenschaft als Werkzeug für den Kampf zwischen Nationen zu missbrauchen, wenn wir aufhören, uns überlegen zu fühlen und beginnen zusammenzuarbeiten, haben wir einen viel größeren Wohlstand und eine viel bessere Zukunft. Ja, wir machen Fortschritte, aber sie sind viel kleiner, als sie sein könnten. In meinem Buch schreibe ich auch über Winston Churchills Essay über die Suche nach außerirdischem Leben aus dem Jahr 1939. Es war ihm nicht möglich, dieses Essay zu publizieren, weil der Zweite Weltkrieg ausgebrochen ist und er als Premier Minister damit beschäftigt war, das Nazi-Regime zu bekämpfen. Viele Ressourcen wurden während dieses Krieges verschwendet, viele Menschen wurden getötet und es wurde sehr viel Geld in Verwüstung investiert. Hätte man die gleiche Menge an Geld und Anstrengung der Beantwortung der Frage nach außerirdischem Leben gewidmet, würden wir vielleicht schon die Antwort wissen.

Prof. Loeb, vielen Dank für das Gespräch!


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